Reiche Workaholics in Los Angeles.

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wandablue Avatar

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Kurzmeinung: Hat mir Spaß gemacht. Am Ende Längen, die ich verzeihen konnte.
Der Titel, der aus einem Shakespeare Poem stammt, ist schon irgendwie sentimental-kitschig wie auch andere sheakespeare-bemühte Sentenzen kitschig sind, aber die Gesamtkomposition des Romans ist eine hübsche und abwechslungsreiche Geschichte, die in der Gamerszene spielt.
Ich mag Romane, die sich Videogames oder Gamers widmen. Das erste Buch, das mich dahingehend überzeugt hat, war „Erebos“ von Ursula Poznanski. Man muss Bücher über die Dinge schreiben, die junge Leute heute an- und umtreibt. Ich vermisse in diesem Bereich noch Romane über Influencer und Instagramer. Gabrielle Zevin jedenfalls widmet sich dem Milieu der SpieleEntwickler. Das macht sie geschickt und sehr unterhaltsam. Die Storyline ist schnell erzählt: Sam und Sadie sind SpieleEntwickler. Der wohlhabende Marx ist ihr Produzent. Die drei haben, wie die Zahl „drei“ suggeriert, eine Dreiecksbeziehung.

Der Kommentar:
Gabrielle Zevin zeichnet das Leben ihrer Protagonisten von der Jugendzeit bis in deren mittleres Alter nach, also von ihren Anfängen an. Die beiden Hauptpersonen erleben Höhen und Tiefen in ihrer beruflichen Karriere. Sie sind smart und clever, aber es fällt ihnen nichts in den Schoß, sie erklimmen den Gipfel, aber sie arbeiten auch hart dafür. Es ist ein Plus des Romans, dass es vermittelt, dass Erfolg mit dem Willen zu harter Arbeit verknüpft ist. Dass sie 18 Stunden am Tag an ihren Computern hängen, ist keine Seltenheit.
Die berufliche Karriere aller drei verläuft nicht ohne Höhen und Tiefen. Man könnte sagen, dass ihre berufliche Karriere letztlich wesentlich besser verläuft als ihre persönliche. Natürlich gibt es im Buch eine Romanze. Oder auch mehrere. Aber immer wieder streift Zevin das Schmalz vom Löffel, das sich dort gerade ansammeln wollte. Obwohl die Autorin die sich aufbauenden Hindernisse zwischen den Königskindern konsequent wegschreibt, gelangen wir als Leser deshalb dennoch nie ganz in den Pilchermodus, sondern biegen kurz vorher ab. Das Spielen mit Klischees oder auch deren Ausschlachtung ist das von Zevin fast auf die Spitze getriebene erzählerische Mittel, da ist ein Amoklauf und ein Mensch im Koma, kranke bemitleidenswerte Kinder erheischen unser Mitgefühl, eine Behinderung macht Probleme, ein kleiner Hund muss gerettet werden, ein bisschen Shakespeare für die Kultur, ein bisschen Kiffen für das Verruchte, ein wenig Sadomaso aus Fifty Schades of Grey - das übliche schwule Paar, das in keinem modernen Roman fehlen darf, rührende Großeltern und natürlich sind die wichtigsten Protagonisten PoCs. Insofern bedient Gabrielle Zevin den Zeitgeist und springt auf fahrende Züge auf. But. Why not?
Was den Roman auszeichnet, ist, dass er sich megaerfolgreichen Producern in Los Angeles widmet. Den reichen erfolgeichen Yuppies. Den Workaholics, die es geschafft haben. Denen, die zur Entspannung von ihrer harten Arbeit rauschende Parties feiern und manchmal ein bisschen koksen, denen, von denen die YellowPress erzählt. Dass man sich in der YuppieSzene befindet, vergisst man indes leicht, da man in der Lebens- und Liebesgeschichte von Samie und Sadie aufgeht. Ein wenig erinnert das Buch an den Film „Harry und Sally“. Es würde nicht wunder nehmen, wenn auch Zevin beim Schreiben diese beiden ab und zu vor der Nase gehabt hätte.
Für megareiche Yuppies habe ich nichts übrig. Auch dann nicht, wenn sie schmerzhafte Perioden in ihrem Leben durchmachen. Das Allheilmittel gegen Schmerz, psychischer oder physischer Natur, ist laut Roman die Arbeit. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Diese Lösung ist natürlich nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Aber der Star des Romans ist das Berufsfeld. Die Gamerszene. Und das gefällt mir! Die Entwicklung der Games und die Spiele selbst. Dort finden wir uns als Leser auch immer wieder einmal mitten drin ein und sind mittendrin im Spielgeschehen, wir sind seltsame Wesen, die auf gläsernen und blauen Pferden reiten, man kann nicht umhin zu sagen, dass das „süß“ ist. Und wir gründen eine Buchhandlung!
Die Spiele werden beschrieben, wie sie sich entwickelten im allgemeinen bis zum besonderen. Am Anfang gab es nur einfache Shootingsspiele bis sie mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten anspruchsvoller wurden und mit politischen und gesellschaftsinnovativen Elementen gespickt werden. Das Verlangen nach diese Art von Spielen wird plausibel erklärt: es ist die Sehnsucht danach, etwas wachsen zu sehen, in eine heile Welt abtauchen zu können, Möglichkeiten zu haben, die man im wirklichen Leben nicht hat, die Lust am Verkleiden, am Rollenspiel, am Entdecken und am Erschaffen. Natürlich auch die Lust am Gewinnen und am Kräftemessen. Und auch die Möglichkeit, Aggressionen ab- oder aufzubauen. Ethische und moralische Fragen des Gamens streifen die Gedanken unserer Entwickler auch mal, aber sie lösen sich alsbald in Luft auf. Spielsüchtig ist niemand. Ein Karpaltunnelsyndrom hat auch niemand.

Fazit: Falls es eine Botschaft gibt, lautet sie: die Reichen und Schönen und die erfolgreichen Aufsteiger haben auch so ihre Probleme. Als politische Aussage ist mir das zu kurz gegriffen, lächerlich kurz, aber „Morgen, morgen und wieder morgen“ ist eben kein politischer Roman. Sein Jugendbuchcharakter ist unverkennbar. Wegen der Thematik, wegen des Stils und wegen seiner teilweisen "Süße" und den klischeehaften Elementen gehört er in den Sektor der leichten Unterhaltung. Dennoch ist der Roman so süffig und flott geschrieben, dass ihn jedermann mit Vergnügen lesen kann. Hervorzuheben sind die witzigen und spritzigen Dialoge, die Spaß machen. Und vielleicht das Beste am ganzen Buch sind.

Kategorie: Leichte Unterhaltung.
Verlag: Eichborn, 2023