Ein Stück Nachkriegsgeschichte Deutschlands

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1946 erteilt Ben Gedi der palästinensischen Widerstandskämpferin Lilya Wasserfall den Auftrag, den Bruder von Elias Lind zu finden. Der jüdische Wissenschaftler Raphael Lind scheint schon vor den Kriegswirren in Deutschland verschollen zu sein. Lilyas Suche beginnt in London über verschiedene Städte in Deutschland bis nach Dänemark. Während sie immer weiter Hinweise untersucht, bemerkt sie gar nicht, dass andere die Entdeckung Raphaels verhindern wollen. Eine Jagd gegen eine unbekannte Macht und vor allem gegen die Zeit beginnt.

Stephan Abarbanell beschreibt in seinem Debüt die Lage der Juden nach dem Weltkrieg in Europa. Seine Protagonistin ist in einer palästinensischen Widerstandsbewegung involviert, bevor sie den Auftrag bekommt, den verschollenen Wissenschaftler zu finden. Hierbei wird ohne viele Worte deutlich gemacht, wie die Angehörigen zwischen Hoffnung auf ein Wiedersehen und der Angst, eben dieses niemals zu erleben. Auf der Suche nach ihrer Heimat und vor allem Sicherheit irren diese entwurzelten Menschen durch die Welt. Stets sind sie auf der Hut, nicht etwa dem Falschen zu vertrauen oder zuviel von sich preis zu geben. So muss Lilya von Jerusalem über London nach München bis hin in die Lüneburger Heide die Spuren verfolgen, die sie zu Raphael Lind führen sollen.

Sowohl die Charaktere als auch die Orte sind detailreich und lebendig beschrieben. 1946 nutzen verschiedene Geheimdienste die teilweise noch nicht wieder funktionierenden Abläufe in verschiedenen Organisationen, um ihre Informationen zu leiten. Während man in Deutschland noch mit der Entnazifizierung beschäftigt ist, kann somit Lilya die Listen einiger Deportationslager einsehen, deren Richtigkeit aber nicht immer gegeben ist. Das zeichnet ein ungeschöntes Bild der damaligen Zustände und versetzt die Leser in die richtige Stimmung. Es verdeutlicht zudem, mit welchen Schwierigkeiten die Wissenschaftler mit jüdischem Glauben ihre Arbeit veröffentlicht haben. Da auch Lilya immer wieder in gefährliche Situationen gerät, wird der Schrecken nur noch greifbarer. Der leise Erzählstil wurde für diesen Teil der Nachkriegsgeschichte passend gewählt. Trotz der wenig geläufigen Namen und Ausdrücke lässt sich der Roman wie ein Krimi lesen. Spannung, belegte Geschichte und ein wenig bewandertes Thema machen das Buch zu einer Leseempfehlung.