Das hätte Mr. Crane gefallen!

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In der Lungenheilanstalt zu Badenweiler wird im Jahre 1900 der charismatische amerikanische Schriftsteller Stephen Crane von der jungen Krankenschwester Elisabeth gepflegt. Es sind nur wenige Tage, die der Patient und seine Pflegerin miteinander verbringen. Doch zwischen den beiden entwickelt sich eine geheime und obsessive Leidenschaft, die Elisabeths Leben maßgeblich beeinflussen wird.
Vierzehn Jahre später. Der Erste Weltkrieg fordert seine ersten Tribute. Elisabeth ist mittlerweile Oberschwester im selben Sanatorium. Als ein junger Soldat mit schweren Verletzungen eingeliefert wird, erwachen in Elisabeth alte Erinnerungen.
Leben, Sterben. Krankheit, Krieg. Lieben, Lassen. Eine intensive Reise in die Zeit der Jahrhundertwende und in das Innenleben einer Frau.
Andreas Kollender hat detailliert zu Stephen Cranes Leben recherchiert. Im Fieberwahn und von Morphium dahindämmernd lässt ihn der Autor über das Schreiben, den Krieg, die Angst und die Bitterkeit des Künstlerdaseins delirieren. Und doch ist der Roman „Mr. Crane“ weniger eine fiktionale Biografie eines in Vergessenheit geratenen Schriftstellers, auch kein simpler Liebesroman, sondern eine eingehende Betrachtung des Werdegangs und der Entwicklung seiner fiktiven Heldin Elisabeth.
Als Oberschwester Elisabeth lebt die Protagonistin selbstbewusst und völlig frei. Sie ist auf sich gestellt, braucht keinen Ehemann als Versorger und ist sehr unkonventionell im Denken, Handeln und Lieben. Das war nicht immer so. Bevor Elisabeth Stephen Crane kennenlernen durfte, hat sie ein Leben im Schatten verbracht. Ihr Gesicht, das aufgrund einer Brandverletzung halbseitig entstellt ist, zeigte sie nicht gerne, und umgekehrt wollte niemand sie richtig anschauen, nicht die Kolleginnen, nicht der vorgesetzte Arzt, nicht einmal ihr damaliger Ehemann. Erst Stephen Crane schaut sie an, macht sie sichtbar, erkennt sie. Für den sterbenskranken Mann ist mit Elisabeth das letzte Aufbäumen seiner Männlichkeit möglich. Elisabeth hingegen erfährt nicht nur durch die sexuelle Emanzipation einen Wandel. Ihr gesamte Haltung zum Leben, zu ihrem Leben verändert sich.
„Elisabeth weiß, dass damals viel über sie geredet wurde, wahrscheinlich wird heute noch über sie geredet, die vernarbte Krankenschwester, die sich irgendwie dieses Häuschen leisten kann und alleine lebt und manchmal behaupten soll, sie habe Anton Tschechow umgebracht. Auf eine eigentümlich stille Weise ist sie populär. Das hätte Mr. Crane gefallen.“
Der Tod Anton Tschechows in Badenweiler 1904 bekommt im Buch eine besondere Rolle und zieht sich fast wie „Running Gag“ durch den Roman. Die Mischung aus Fakten und Fiktion machen das Buch umso lebendiger, denn genauso hätte wohl alles sein können.