Geschichte einer Emanzipation

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amena25 Avatar

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Im Sommer 1900 wird der amerikanische Schriftsteller Stephen Crane schwerkrank im Tuberkulose-Sanatorium Badenweiler eingeliefert.
Für seine Pflege wird die junge Krankenschwester Elisabeth eingeteilt, die alle Bücher von Stephen Crane verschlungen hat und sich ihm seelenverwandt fühlt. Offenbar geht es Mr. Crane ähnlich, als er Elisabeth das erste Mal erblickt.
Schwester Elisabeth ist seit einem Brandunglück schwer gezeichnet - Brandnarben ziehen sich über ihre gesamte Gesichtshälfte. Und Stephen Crane hatte mit ,,The Monster" eine Geschichte über ein ganz ähnliches Schicksal eines Mannes verfasst.
In den wenigen Tagen, die dem sterbenskranken Stephen Crane bleiben, entwickelt ich zwischen ihm und Elisabeth eine intensive Liebesbeziehung, die sie allen Hindernissen zum Trotz auch sexuell ausleben. Dabei kommt es, trotz aller Tragik, teilweise auch zu amüsanten Versteckspielen vor dem Krankenhauspersonal und Cranes mit angereister Frau und Nichte.
Während der Schriftsteller, von Fieber, Hustenanfällen und Delirien befallen, Schwester Elisabeth von seinen Erlebnissen als Kriegsberichterstatter, aber auch seinen diversen Liebschaften erzählt, öffnet sich auch Elisabeth allmählich.
Stephen Cranes Erzählungen sind teils sehr anschaulich und bildhaft, teils aber auch wirr und bruchstückhaft, was sicherlich seinem Zustand geschuldet ist.
Eigentlich interessanter als der titelgebende Schriftsteller ist aber die Figur der Schwester Elisabeth, die sich mehr und mehr emanzipiert, sich Vorschriften und Regeln widersetzt, um ihre Wünsche und ihre Liebe ausleben zu können. Gelegentlich grenzt dies an Egoismus und widerspricht ihrer eigentlichen Aufgabe als Krankenschwester. Andererseits macht gerade diese rebellische Seite sie zu einer interessanten Protagonistin. Zwar dauert es noch weitere 14 Jahre, bis Elisabeth tatsächlich ihr Leben in die Hand nimmt. Auf einer zweiten Zeitebene, 1914 zu Kriegsbeginn, wird erzählt, wie Elisabeth, noch immer im Sanatorium in Badenweiler, durch den schwer verletzten Offizier Bernhard Fischer und dessen Lektüre eines Romans von Stephen Crane, an ihre Liebesbeziehung erinnert wird und sich für ein selbstbestimmtes Leben entscheidet.
Besonders gut hat mir die Darstellung der Figuren gefallen, die - ohne allzu ausführliche Beschreibung - greifbar und lebendig wurden. Auch die Mischung aus Romantik, Tragik und Komik empfand ich als sehr gelungen.
Kein leichter, aber ein wirklich lesenswerter Roman!