eine berührende, herzergreifende Geschichte zum Eintauchen und Verzaubernlassen

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elke seifried Avatar

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Ich bin eigentlich ein Leser, der es nah an der Realität braucht, um Lesegenuss zu haben. Aber diese Geschichte, die durchaus auch magische, eher unwahrscheinliche Begebenheiten in sich birgt, hat mich dermaßen gefangen genommen und so sehr berührt, dass ich einfach nur überwältigt und völlig begeistert bin.

„Vielleicht dachte ich, wenn ich jeden verlorenen Gegenstand rettete, den ich fand, würde jemand das Einzige auf der ganzen Welt retten, an dem mir wirklich etwas lag, und ich würde es eines Tages zurückbekommen, um mein gebrochenes Versprechen doch noch einzulösen." Dies sind Anthony Peardews Worte, mit denen er seiner Assistentin Laura in einem Abschiedsbrief erklärt, warum er seit über 40 Jahren Verlorenes aufgesammelt und zu Hause fein säuberlich aufbewahrt hat. Sie soll nun sein Erbe übernehmen und seine Arbeit weiter führen. Keine leichte Herausforderung, derer sich Laura stellen muss.

Die Autorin spielt mit zwei verschiedenen Handlungssträngen. Im Jetzt lernt man Laura kennen, wie sie die Stelle bei Anthony Peardews annimmt, er schließlich stirbt und ihr in einem Abschiedsbrief seine Lebensaufgabe übergibt. Bei der Erfüllung derer, die Laura Sinn im Leben geben soll, ist sie zum Glück nicht alleine auf sich gestellt. Sie bekommt Hilfe durch ihre neue Freundin Sunshine, die in der Nachbarschaft wohnt und auch durch Freddy, den Gärtner. Man erfährt als Leser dabei auch von einzelnen Gegenständen und den Kurzgeschichten, die Autor Anthony zu jeder einzelnen geschrieben hat.

Der zweite Strang erzählt von Eunice und beginnt 40 Jahre früher im Jahr 1974. Dies war das Jahr in dem sie ihre Stelle bei Verleger Bomber angenommen, aber auch das Jahr in dem Anthony Peardew seine große Liebe Henriette und auch sein Wichtigstes verloren hat und das nun bei Eunice aufgehoben ist. Man lernt sie, Bomber und auch seine Familie kennen. Man kann sich über die schriftstellerischen Versuche seiner furchtbaren Schwester amüsieren und muss aber auch miterleben, wie brutal Demenz sein kann.

Die Autorin hat mich von Anfang an mit ihrer Geschichte regelrecht in Bann gezogen. Der Schreibstil liest sich locker, unbeschwert und man fliegt fast durch die kurzen Kapitel. Sprachgewaltige Wortbilder wie z.B. „Dessen Demenz ihn seeuntauglich machte. Eine einst majestätische Galeere, deren Segel verschlissen und zerrissen waren, konnte nicht mehr alleine auf Kurs bleiben, sondern war auf Gedeih und Verderb jeder Sturmbö ausgesetzt.“, haben mich beeindruckt. Man darf oft schmunzeln, was der teilweise traurigen Geschichte sehr gut tut und mir prima gefallen hat. Da kann es schon mal heißen, dass „Portia eine absolute Verschwendung aus heißer Luft und Pumps ist.“ oder Laura entgegnet wilden Gerüchten, warum Anthony ihr wohl das Padua vermacht hat, schlagfertig die Worte „Fellatio, jeden Freitag“.

Ruth Hogan hat mich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle genommen. Ich habe z.B. furchtbar mit Bomber gelitten, als seinen Vater Godfrey die Demenz immer mehr einnimmt. Eindrucksvoller hätte man das wohl nicht darstellen können. In dieser tollen Geschichte liest man von Schicksalen, die tief betroffen machen, man erfährt wie groß Liebe sein kann und man darf sogar ein bisschen Schmetterlinge im Bauch fühlen, allerdings alles andere als kitschig. Sehr berührt hat mich auch Sunshine, durch die das Thema Downerkrankung umsichtig und humorvoll aufgegriffen wird.

Begeistert bin ich auch von den Kurzgeschichten um die verloren Gegenstände, die durch kursive Schrift gekennzeichnet, integriert sind. Auf so wenigen Zeilen so viel Atmosphäre zu schaffen, zeigt mir, dass Ruth Hogan ihr Handwerk wirklich versteht.

Die Charaktere sind großartig gezeichnet. Laura hat sich auf den falschen Mann eingelassen und für ihn so gut wie alles aufgegeben, weshalb sie „zu einem notorischen Feigling mutiert, der nicht kletterte, weil er Angst hatte zu fallen“. Sie ist eine tolle Frau, die sich instinktiv um andere kümmern muss, um einen Lebenssinn zu sehen. Deshalb war das Padua „ihre emotionale und körperliche Festung und Anthony ihr strahlender Ritter“. Der zurückhaltende Gärtner Freddy, hat nicht nur Laura, sondern auch mir gut gefallen. Mitten in mein Herz getroffen hat es Sunshine. „Ich heiße Sunshine und ich kann deine neue Freundin sein“, „Ich bin neunzehn und ich habe Daunendrom“, sind Sätze von ihr. Sie ist auf ihre ehrliche, einfache Art einfach nur toll. Trotz ihrer Behinderung behält sie manchmal sogar den besseren Durchblick und man täte gut daran ihr besser zuzuhören. Richtig gerührt hat mich auch Bombers Papa Godfrey. Mit seiner witzigen Art hat er mich von Anfang an gewonnen. Es hat mir in der Seele weh getan zu lesen, wie sehr ihn die Demenz hinwegrafft.

Alles in allem bin ich nur begeistert von dieser schönen, vielschichtigen und herzergreifenden Geschichte. Ein Buch, dass mit Sicherheit zu meinen Lesehighlights des Jahres gehört und dem ich nur fünf Sterne plus vergeben kann.