Liebevoller, aber ungeschönter Blick auf den bäuerlichen Alltag

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Maria freut sich auf ein entspanntes Wochenende. Gemeinsam mit ihren beiden Teenager- Töchtern und einem befreundeten Ehepaar geht es in die Berge. Doch dann erreicht sie ein Anruf ihrer Mutter und der Ausflug endet jäh. Der Vater hatte einen schweren Unfall und liegt nun im Krankenhaus, Ausgang ungewiss. Die Mutter ist voller Sorge, nicht nur um ihren Mann. Nein, der Hof daheim muss versorgt werden und die demente Großmutter braucht jemanden, der ein Auge auf sie hat.
Maria fährt sofort zum Elternhaus, dem Mühlenhof, und packt an. Die Arbeit ist ihr von Kindesbeinen an vertraut. Und zwischen all dem Vertrauten gehen die Gedanken zurück in ihre Kindheit, in die 1980er Jahre.
Es war eine unbeschwerte Zeit für Maria und ihren zwei Jahre älteren Bruder Thomas. Gemeinsam toben sie im Schnee herum, beobachten die Geburt junger Kätzchen, hecken Streiche aus. Doch das Leben im Verbund mit der Natur hat auch seine Schattenseiten. Wenn die anderen Kinder im Sommer ins Schwimmbad fahren, müssen Maria und Thomas bei der Heuernte mithelfen. Wenn die anderen nach den Sommerferien mit ihren Urlauben prahlen, sitzen sie still in der Ecke und hoffen, niemand würde bemerken, dass sie nichts zu erzählen haben. Der Hof und die Tiere wollen jeden Tag versorgt werden. Außerdem fehlt es an Geld für Ferienreisen und Geld für teure Klamotten. So endet z.B. eine Einkaufstour mit dem Vater in die nächste Stadt für Maria mit einer Enttäuschung. Der Vater sieht nicht ein, so viel für einen angesagten Benetton-Pulli zu bezahlen.
Es sind viele Episoden, heitere und weniger heitere, an die sich die Ich- Erzählerin Maria erinnert. Z.B. an das weihnachtliche Krippenspiel in der Kirche, bei dem immer, zum Ärger von Maria, die Tochter des Gemeindearztes die Hauptrolle spielen darf, oder an den Ausflug der Kommunionkinder, der für die Erzählerin doch noch ein gutes Ende nimmt. Die Gedanken reisen zurück an Schlachttage auf dem Hof oder an die vielen Handgriffe, die zum Anbau und zur Ernte von Hopfen notwendig sind. Und dabei ist es immer eine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder mithelfen.
Doch neben den Erinnerungen muss sich Maria mit ganz konkreten Problemen auseinandersetzen. Tags darauf ist auch Bruder Thomas mit Ehefrau Christiane wieder auf dem Mühlenhof. Und nun steht ganz konkret die Zukunft des Hofes zur Debatte. Thomas ist bereit, das väterliche Erbe anzutreten, doch dazu braucht er Marias Entgegenkommen. Wird die Schwester, die schon lange in der Stadt wohnt, auf ihren Anteil verzichten? Und wie soll es weitergehen? Diesen Fragen ist man in der Familie nach einem großen Streit bisher ausgewichen. Doch nun muss eine Einigkeit erzielt werden, wenn der Hof eine Zukunft haben soll.
Auch hier entgeht die Autorin einer Romantisierung des Dorflebens. Stattdessen zeigt sie, vor welchen Problemen Landwirte heute stehen. Meist reicht der Verdienst nicht mehr aus, damit Alt und Jung davon leben können. Will man ganz aufgeben oder findet man zusätzliche Einnahmequellen? Neben der Sorge um den Vater und der täglichen Arbeit auf dem Hof müssen also grundsätzliche Dinge geklärt werden.
Die Autorin Martina Bogdahn ist selbst auf einem Einödhof in Mittelfranken aufgewachsen. So kann sie bei ihrem Debut auf eigene Erlebnisse und Erfahrungen zurückgreifen. Das spürt der Leser. Auch ihre Liebe zum Landleben zeigt sich in ihren atmosphärischen Beschreibungen. Man spürt die eisige Kälte im Winter ebenso wie die flirrende Hitze auf dem Feld, riecht den frisch gebackenen Apfelkuchen und den Duft von Brot, aber auch den Gestank im Schweinestall.
Trotz der schönen Kindheit steht für die jugendliche Maria aber fest, dass sie ein anderes, ein besseres Leben haben möchte. Gleich nach dem Abitur verlässt sie ihr Elternhaus, ihr Dorf und zieht in die Stadt.
Maria Bogdahn beschreibt das Landleben früher und heute mit viel Liebe, aber ohne jegliche Sentimentalität, fernab jeder „ Landlust“-Idylle.
Für zart besaitete Leser dürfte der Umgang mit den Tieren grenzwertig sein. Sicher, für den Bauern gehört das Schlachten des Schweines genauso zum Alltag wie die problematische Geburt von Ferkeln. Doch auf die ein oder andere Grausamkeit hier hätte ich verzichten können. Genauso wie auf den kurzen Flirt beim Schützenfest.
Trotz dieses Einwandes habe ich den Roman sehr gerne gelesen. „ Mühlensommer“ ist ein leicht zu lesender Unterhaltungsroman, der einen liebevollen, aber ungeschönten Blick auf den bäuerlichen Alltag wirft.