Chinas Frauen, damals und heute

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Die niederländische Sinologin Bettine Vriesekoop hat ein sehr wichtiges Buch über Frauen und ihre Stellung im heutigen (Original 2015) China geschrieben, das weit mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Dabei macht es allerdings Sinn, bereits ein klein wenig Vorwissen mitzubringen, um gänzlich in die Thematik einsteigen zu können.
Die Autorin hat China weit bereist, eine Menge Leute getroffen, mit denen sie interessante Interviews führte und ihre ganz eigenen Beobachtungen gemacht. Dabei hat sie die – sehr wechselhafte – Geschichte des Landes geschickt und treffend mit den Lebensbedingungen der Frauen verknüpft, wie es auch bereits der Titel vermuten lässt. Faszinierend wie irritierend dabei besonders, welchen großen Einfluss die Politik auf das intimste Leben eines Menschen besitzen kann. Zu erwähnen dabei die „Lotusfüßchen“, also die gebunden Füße der Frauen, die Art wie und in welcher Menge sie ihre Partner wählten, wie sie sich kleideten, wie viele Kinder sie zur Welt bringen durften. All das abzustreifen – Vorstellungen von Mutter und Großmutter in etwa – gelingt den modernen Frauen nur schwerlich. Noch immer sind große Erwartungen an sie geknüpft, die sich oft nicht mit den eigenen verbinden lassen. Zudem gilt eine Frau mit fünfundzwanzig als nicht mehr an den Mann zu bringen und da sie zudem dank der Ein-Kind-Politik keinen reichen Nachwuchs erwarten kann, lastet ein enormer Druck auf ihr (was ist der „richtige“ Partner?). Sexualität, schon früher nicht einfach zu händeln, sind in politischen Systemen wie dem in China zudem extrem gefährlich (übrigens nicht nur hetero).
Vriesekoop hat sich dazu einige der bekanntesten Frauen des Landes an die Seite geholt, die ihr tiefe Einblicke in das alltägliche Leben gewähren.
Kurz wird auch die männliche Seite beleuchtet, an die ebenfalls gewisse Erwartungen geknüpft sind. Da Männer noch immer als höher gestellt gelten, müssen viele weibliche Föten dank moderner Technik auf ihr Leben verzichten, was zu einem deutlichen Männerüberschuss geführt hat. Was subjektiv nach dem Lesen des Buches beurteilt nicht unbedingt dazu geführt hat, dass sich an ihrer Denkweise irgendetwas verändert hätte. Das ist übrigens das Einzige, was ich ein wenig bedauere: Wir sprechen ständig nur über die Frauen, aber äußere Veränderungen (Politik z.B.) verändern uns alle und nicht nur einige wenige. Es erfolgen auch in „Mulans Töchter“ stetige Anspielungen auf die Männer in China, besonders jene, die auf dem Land leben. Um aber die Veränderungen komplett verstehen zu können, müssen beide Seiten der Medaille beleuchtet werden, was aber vermutlich zu einem weiteren Werk wie diesem geführt hätte. Zu wünschen wäre es.
Am Ende des sehr vergnüglich zu lesenden erzählenden Sachbuches scheint es, als würden die Chinesinnen in eine neue Zeit schliddern, ohne einmal zu sich selbst finden zu dürfen. Es sind nun die westlichen Werte und Vorstellungen, denen sie sich, man möchte fast sagen, unterwerfen müssen, obwohl diese nur mäßig zu allem bisherigem passen. Persönlich sehe ich es ebenfalls kritisch, all diese Werte überall in der Welt als Standard anpassen zu wollen; es gibt nie nur eine einzige gültige allumfassende Wahrheit und mit Doktrination macht man oft mehr kaputt, als es gut ist. Zumal es in den meisten Fällen auf ein Wort heruntergebrochen nur eines ist: Konsum.
Am Ende nun gibt es keine Auswertung, keinen Ausblick auf Kommendes, das wollen die Chinesinnen übrigens selbst nicht. Sie akzeptieren, dass ihr Land groß und weit, bunt und vielfältig ist und damit keine schlüssigen Thesen zur Zukunft zulässt. Einzig die Statistiken sprechen ihre eigene Sprache in etwa in Sachen Demografie.
„Mulans Töchter“ nun ist vor allem den Lesern empfohlen, die am Thema dran sind. China und seine Geschichte, Frauen und Emanzipation stehen weit im Vordergrund. Es wird alles direkt gesagt und natürlich spielt auch die Sexualität eine große Rolle. Ein wenig Vorwissen und ein Minimum Begeisterung zu eher wissenschaftlichen Schriften sollten vorhanden sein. Dann wird dieses Buch schnell und sehr interessiert weggelesen sein.
Ich möchte es dringend empfehlen.