Wie verändern moderne Frauen denn nun das Gesicht Chinas?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
schmiesen Avatar

Von

"Das Problem in China besteht darin, dass die Schubladen so deutlich voneinander getrennt sind. Die Rollen von Männern und Frauen sind starr und nicht untereinander austauschbar."


Mulan, im Westen v.a. bekannt aus dem gleichnamigen Disneyfilm, steht in China sinnbildlich für die starke, unabhängige Frau, die einem Mann in nichts nachsteht. Die Journalistin und langjährige China-Korrespondentin Bettine Vriesekoop hat sich auf den Weg gemacht und moderne Frauen interviewt, die aus den starren Konventionen des chinesischen Lebens ausbrechen und ihre Sexualität leben wollen.

Literarische Einblicke in fremde Kulturen, über die viele Klischees und dafür umso weniger Wissen und Verständnis herrschen, finde ich immer sehr spannend. Noch besser wird es dann, wenn sich das Buch mit der Rolle der Frau, ihrer Emanzipation und dem Feminismus im jeweiligen Land beschäftigt. Da hatte Bettine Vriesekoop direkt meine Neugierde geweckt.

In jedem der zahlreichen Kapitel widmet sich die Journalistin einem anderen Thema, zu dem sie dann die entsprechenden Frauen interviewt. Zu den vielfältigen Themen zählen Prostitution, Sexualtherapie, Sexspielzeug, Verkupplungsmarkt, Ein-Kind-Politik, Schönheits-OPs und Füßebinden. Die Frauen, die die Autorin für ein Gespräch gewinnen konnte, sind allesamt so interessant wie diese Themen. Doch leider merkt man, dass sie verhalten antworten, dass sie eben ein Interview führen (noch dazu mit einer Ausländerin), und dass das Vertrauen nicht allzu groß ist. Vielmals drehen sich die Gespräche im Kreis und werden schnell repetitiv , teilweise erscheinen Vriesekoops Fragen auch unzusammenhängend. Wie sie die Gespräche wiedergibt, wirkt zudem nicht sehr authentisch, da es sich oftmals einfach um Monologe der Interviewten handelt, die von Vriesekoop offensichtlich "aufgehübscht" wurden.

Leider bieten auch nicht alle Interviews neue Erkenntnisse. Vieles hatte man schon in anderen Kapiteln gelesen, vieles wurde danach wiederholt. Der Autorin ist es außerdem auch nicht gelungen, die teilweise widersprüchlichen Standpunkte und Aussagen sinnvoll zu verknüpfen, also einen editorischen Kommentar abzugeben und Stellung zu nehmen. Das hat mir gefehlt - eine leitende Stimme, die die Ergebnisse aus den Interviews auswertet und sinnvoll verknüpft. Der Epilog soll das wohl leisten, wirkt aber leider eher wie eine Zusammenfassung des zuvor ausführlich Geschilderten.

So verlieren die eigentlich hochinteressanten Frauen und ihre Geschichten an Mehrwert, da sie im Endeffekt einfach nicht viel aussagen. Zudem finde ich die Verknüpfung mit Mulan schwierig - muss eine Frau zum Mann werden, um für voll genommen zu werden? Dieser Irrglaube wird leider nie aufgelöst und bleibt unkommentiert im Raum stehen.

Nichstdestotrotz hat mir die Autorin mit ihrem Sachbuch einen interessanten Überblick über die chinesische Gesellschaft, ihre historische Entwicklung und die Rolle der Frau darin vermittelt. Der tiefere Einblick allerdings fehlte.