Interessanter Roman über die Rechtslage zur Homosexualität in den Nachkriegsjahren

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Heute erscheint bei Ueberreuter mit „Mut. Machen. Liebe.“ von Hansjörg Nessensohn ein Roman darüber, was es hieß in den 50er und 60er Jahren in unserem Land schwul zu sein.

Der 19-jährige Paul begibt sich auf eine Pilgerreise durch Italien, um zu sich selbst zu finden und schließt dort Freundschaft mit der über 80-jähirgen Liz, die ihm die Geschichte von Helmut erzählt. Dieser lebt in den 50er-Jahren in Köln und verliebt sich in den Italiener Enzo. Von der Gesellschaft geächtet und von der Polizei verfolgt, steht ihre Liebe unter keinem guten Stern.

Nessensohn schafft es, ein authentisches Bild eines Homosexuellen in den deutschen Nachkriegsjahren zu zeichnen. Zu der drohenden Gefahr aufgrund des § 175, der Homosexualität unter Strafe stellte (bis 1994!), kommt die Ausgrenzung durch die Gesellschaft, was wiederum zu schwersten psychischen Problemen und Selbstzweifeln bei Helmut führt. Der Leidensdruck ist für den Leser durchweg spürbar und nachvollziehbar.

Während Helmut und Liz gut dargestellt wurden, finde ich zu Paul keinen Zugang. Obwohl das Buch aus seiner Sicht geschrieben ist, bleibt er für mich unnahbar. Der Schreibstil ist recht eingängig und wechselt bei Pauls Passagen merklich zu einem flippigeren Ton als bei den Rückblenden, in denen von Helmuts Lebensweg erzählt wird.

Helmuts Geschichte ist spannend und behandelt ein wichtiges Thema der jüngeren deutschen Geschichte, dessen sich viele heutzutage nicht mehr so bewusst sind. In Zeiten, in denen das Internet in Regenbogenfarben erstrahlt, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass auch bei uns bis vor wenigen Jahren noch Personen, die sich heute der LGBTQIA-Community zugehörig fühlen, ziemlich alleine dastanden und zum Teil sogar politisch verfolgt wurden.

Das Manko an dem Buch ist für mich die Rahmenhandlung mit Paul und Liz‘ Pilgerreise. Sie ist zu unglaubwürdig, zu klischeehaft, zu vorhersehbar und auch das Ende kommt mir zu gewollt daher. Wenn man das in Kauf nimmt, bekommt man aber ein schönes Zeitdokument der starren Gesellschaftsstrukturen der 50er-Jahre.