Ambivalente, aufrüttelnde Biographie

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buchling zamonia Avatar

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Das Cover des Buches hat mir gut gefallen und passt perfekt zum Inhalt des Buchs. Keine Haare, hinter denen man sich verstecken kann, sondern die "nackte Wahrheit", man stellt sich mit seiner Persönlichkeit den anderen.

Rose McGowan, die als Schauspielerin bekannt ist, sich selbst aber lieber als Künstlerin bezeichnet, beschreibt in diesem Buch sehr offen und schonungslos ihr bisheriges Leben.

Sie nutzt dazu eine sehr konfrontierende und vulgäre Sprache, und spricht den Leser auch direkt an. Mir ist es stellenweise zu vulgär, allerdings denke ich, das gerade diese Ausdrucksweise einen so fesselt und erschüttert.

In der Autobiographie schildert sie zuerst ihre Kindheit in der Sekte "Children of God" und die Flucht mit ihrem Vater und der Stiefmutter erst an einen anderen Ort in Italien, später die Auswanderung in die USA. Ihre leibliche Mutter kommt später ebenfalls nach Amerika.
Ihre Kindheit in der Sekte ist grausam und brutal. Allerdings wird es in den USA nicht besser. Sie wird zwischen den Eltern hin- und hergeschoben. Ihr Vater ist psychisch krank und misshandelt sie. Die wechselnden Lebensgefährten ihrer Mutter misshandeln sie auch.

Sie erzählt ausführlich von ihrem unsteten Leben mit den regelmäßigen Umzügen und ihrer Flucht vor den Misshandlungen in die Obdachlosigkeit.

Sie wird als Teenager zufällig auf der Straße entdeckt für einen erfolgreichen Indie-Film und landet so in der Maschinerie Hollywoods, das sie als größte Sekte der Welt mit mafiösen Strukturen bezeichnet.

Sie berichtet detailliert von dieser Zeit mit den ständigen Demütigungen und sexuellen Nötigungen bei Vorsprechen und an Film-Sets. Sehr ausführlich schildert sie die Vergewaltigung durch Weinstein, den sie in ihrem Buch nur als Monster bezeichnet.

Das Vorgehen des perversen Moguls war bekannt. Trotzdem hat sie niemand gewarnt. Für mich als Aussenstehende ist es schwer nachzuvollziehen, wie 20 Jahre lang systematisch Frauen missbraucht werden konnten, und alle schwiegen. Die Erklärung von McGowan ist zwar in Teilen schlüssig, aber sie hat trotzdem jahrelang weiter für "die Sekte Hollywood" gearbeitet und sich weiteren Nötigungen ausgesetzt. Ich kann es mir nur so erklären, dass sie aufgrund ihrer Kindheit und mangelndem Rückhalt durch andere Menschen nicht wusste, wie sie der Situation entkommen und zeitgleich aber weiter für ihr Auskommen Geld verdienen kann.

Ihr widerfährt so viel Leid, immer und immer wieder, dass es stellenweise "fantastisch" anmutet. Man fühlt sich beim Lesen, als wenn man einen Blockbuster im Kino ansieht und kann gar nicht glauben, dass all das im echten Leben so passieren kann.

Trotz allem Verständnis für die furchtbaren Erlebnisse von McGowan wurde mir der ständige Hass gegen Männer im Allgemeinen manchmal zu viel. Ihr Zorn ist absolut gerechtfertigt, allerdings kommt sie stellenweise nicht als "Aufklärerin" rüber, sondern als verbittert.

Was mich persönlich gestört hat ist die Eigenwerbung am Schluss des Buches, wo sie ihre Platte und sogar ihre neue Kosmetiklinie anpreist. Warum eine eigene Kosmetikserie, wenn es doch nicht auf unser Äußeres, sondern auf uns und unsere inneren Werte ankommt? Das ist sehr unglaubwürdig, sie widerspricht sich hier selbst!

Ich vergebe dennoch vier Sterne, weil es wichtig ist (wenn auch sehr spät - zu spät?) die perverse Welt Hollywoods und vor allem der Weinsteins offen zu legen und so zu einem Umdenken anzuregen.

In den letzten fünfzig Seiten spricht sie den Leser häufig direkt an und schafft es so, das man über sein eigenes Konsumverhalten (Kino, Kauf von DVD's, Medienkonsum) nachdenkt und reflektiert, inwieweit man selbst dazu beiträgt, dass Schauspielerinnen so abwertend behandelt werden.