Hollywood im Klartext

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„Mutig“ ist Rose McGowans Autobiographie, in der sie eine gewagte Behauptung aufstellt – Hollywood sei die größte existierende Sekte – um die ihr gesamtes Werk kreist. Im ersten Teil des Buches skizziert die Autorin ihr Leben bis zum gegenwärtigen Augenblick. Teil Zwei der Autobiographie, das die letzten 55 Seiten des 300-Seiten-dicken Buches ausfüllt, ist eine Art Ratgeber für die Leser (dieser Ratgeber ist meiner Meinung nach redundant). Das ganze Buch durchziehen direkte Leseransprachen, wenn die Autorin auf ein bestimmtes Thema sensibilisieren möchte. „Ich schreibe dieses Buch, weil ich einen echten Dialog mit der Öffentlichkeit und insbesondere mit euch will. Ich fühle mich geehrt, dass meine Worte Eingang in euer Bewusstsein und Gewissen finden, dass meine Gedanken für immer in euren Herzen bleiben. Ich nehme diese Verantwortung sehr ernst.“

Rose McGowan, die dem breiten Publikum vor allem als Paige Matthews aus der Serie „Charmed“ bekannt sein sollte, wurde in einem Ort Nahe bei Florenz quasi in eine Sekte hineingeboren, da ihre Eltern Mitglieder der „Kinder Gottes“ waren. Bereits als Vierjährige widersetzt sie sich den „Erziehungsmethoden“ der Sekte und bleibt ein schwieriger Fall für die tonangebenden Sektenmitglieder. Nachdem sich Fälle von Kindesmissbrauch in der Sekte häufen, flieht Roses Vater mit seiner zweiten Frau und seinen Kindern nach Munano, einer kleinen Stadt in der Toskana, um schließlich ganz in die Vereinigten Staaten von Amerika zu ziehen. Zunächst wird Rose mit ihrem Bruder nach Washington zur Stiefgroßmutter geschickt, dann kommt sie nach Colorado zu ihrem Vater, um kurz darauf zu ihrer Mutter, die die Sekte auf eigene Faust verlassen hat, nach Oregon zu ziehen. Nach einiger Zeit kommt sie wieder zum Vater. „Wir Kinder wurden ziemlich oft hin und her geschoben, denn eine offizielle Sorgerechtsvereinbarung gab es nicht.“ Nachdem sie in der achten Klasse auf dem Schulball Acid probiert, wird sie in eine Drogenentzugsanstalt gesteckt, aus der sie die Flucht ergreift und fortan auf der Straße lebt. In dieser Zeit lernt sie ihren Geist vom Körper zu lösen: „Es gab Momente, gerade wenn es besonders hart war, in denen ich mich von meinem Körper löste. [...] Weit weg über allem zu schweben, das Geschehen wie durch eine Kameralinse zu beobachten, war meine Methode, mich zu schützen.“ In diesen „tranceähnlichen Zustand“ begibt sich Rose bei ihrer Vergewaltigung durch Weinstein, wobei sie trotz dessen ihr Leben lang unter dem traumatischen Erlebnis zu leiden haben wird.

Nachdem sie zufällig für eine Rolle in einem Film vorgeschlagen und besetzt wird, lernt sie Joshua Miller kennen, der sie dazu überredet nach Los Angeles zu ziehen. Dort schreibt sie sich als Schülerin an der Kunstschule Hollywood High ein, wo sie die Rolle ihres Lebens spielen sollte – die Antigone. In dieser Zeit lernt sie ihren ersten Freund kennen, mit dem sie vor allem die Erinnerung an Essstörungen verbindet. Da sie meiner Meinung nach das Problem dieser Erkrankung perfekt in Worte gefasst hat, möchte ich sie im Folgenden wieder zitieren: „Anorexie und Bulimie beginnen üblicherweise mit Gewichtsverlust, aber es geht um weit mehr als nur um den Körper. Es geht um die Seele. [...] Eine Essstörung ist eine unendlich einsame Störung. Niemand kommt an dich ran, am allerwenigsten du selbst. Wenn sich dein Leben nur noch um all diese erfundenen Regeln zur »Vollendung der Perfektion« dreht, bist du nicht mehr bei deinem eigenen klaren Verstand, du hörst nur noch die bösen Stimmen von außen. Und die bösen Stimmen von außen werden zu Stimmen von innen.“

Nach einem langen Kampf gegen die Krankheit, kommt schließlich der Durchbruch in Hollywood mit dem Film „Scream“. Ab diesem Moment lernt sie das wahre Hollywood kennen, mit all seinen Machtstrukturen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, spricht sie die ganze Wahrheit aus: Hollywood operiere wie die Mafia, wenn es um den Schutz seiner Selbst gehe und sei die größte Sekte weltweit, da sie eine gigantische Reichweite habe. Es beherrsche unsere Realität, denn wir würden - bewusst oder unbewusst - Bilder aus gesehenen Kinofilmen in unserem eigenen Leben umsetzen. „Alles, was ihr konsumiert, zählt“, warnt Rose McGowan. „Es prägt euch, es ist wichtig. Achtet bewusst darauf, was ihr anschaut, damit ihr es gegebenenfalls ablehnen könnt. Wenn Hollywood sich nicht ändern kann, dann hat es verdient, zu scheitern.“ Auch möchte sie den Leser darauf sensibilisieren, das eigene Umfeld auf Sekten zu untersuchen, da nicht nur Gruppierungen, die diesen Namen tragen, welche sind. Wenn man sich einseitig nur aus einer Quelle informiere oder sich beispielsweise im Internet-Chatroom treffe, um sich über eine Serie auszutauschen, sei man ebenfalls Mitglied einer Sekte.

„Mutig“ ist ein wirklich mutiges Buch einer mutigen Frau, das jeder unbedingt lesen sollte – vor allem diejenigen, die noch ein naives Bild von Hollywood als einer schönen Traumfabrik haben!