Die Mutter war’s…

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
marcialoup Avatar

Von

Ein melodischer Rhythmus durchklingt die Erzählung der Tochter von, über und aus ihrer Mutter, hinein in ihr Leben und ihr eigenes Leben. Ihr gemeinsames.
Aber doch getrenntes. Leben.
„Mutter starb an einem Sonntag im Mai…“ (Zitat S. 33)
Anklagende Momente, Entscheidungen, fragwürdige Vorgaben, liebevolle Gesten, Verbundenheit, Fürsorgliches, Zärtliches, Schmerzliches und Ängstliches bekleidet die Tochter und begleitet sie über den Tod hinaus in Erinnerungen und tiefer Gedankenwelt an ihre Mutter und an Fragen, deren Antworten sie nun, nach ihrem Tod, über Rückblicke zu finden hofft.
Nach wenigen Seiten schon wollte ich abbrechen, war überfordert, stellte in Frage und zweifelte – an dieser Sprache, an der Erzählerin, an mir…
Doch wenn man sich auf diesen Roman einläßt, erfährt man etwas ganz Besonderes, eine Fülle, ein Reichtum an Ausdruck und Darstellung, findet Erklärungen und Verständnis. Vielleicht sogar Trost.

Zunächst völlig anders pocht der Text der Autorin auf die lesende Person ein wie ein prasselnder Haufen ungewohnter Wörter. Wenn man darin die Melodie gefunden hat, erscheint eine gut komponierte Sin(n)fonie. Trotz teils melancholisch angehauchter Schwere strömt der Text auch etwas Erleichterndes, beinahe Dankbares aus.

Das Nichts um die Mutter herum und das Nichts der Mutter selbst im Nicht-Sein: diese Thematik hat mich angesprochen, ich kenne den Blick selbst an meiner Mutter … ins Nichts…
Es folgen Wörter, beeindruckende Sätze und unglaublich gebastelte Bilder entstehen daraus, wenn man darin plötzlich Erlebnisse eigener Mutternichts-Tochter-Momente erkennt.
Faszinierend lese ich, verstehe und vertiefe mich in die Sprache, sauge sogartig die Bedeutungen dahinter auf, die wie Aha-Erlebnisse aus den Seiten herausspringen.
Mutter-Tochter-Beziehungen sind wahrscheinlich im Grunde ähnlich aufgebaut. Man ist und bleibt Tochter. Nichts, auch Mutternichts, ändert das. Nicht.

In einem kleinen, dicht gepackten Buch findet die Autorin brillant-strahlende, ausdrucksstarke Wörter in einer teils schweren, vielleicht auch traurig anmutenden Thematik, die fast poetisch mit grenzenloser Wucht in die Tiefe strömen und Situationen heraufholen, die berühren, und das mit einer solch unfassbaren Klugheit, die einen fragend und überraschend zurückläßt mit dem Gefühl, endlich Worte gefunden zu haben, um zu beschreiben, was dieses besondere Band einer Mutter-Tochter-Beziehung ausmacht, mit dem man auf immer verbunden ist.

Das Cover präsentiert sich leise, fast zurückhaltend, aber dennoch sehr ausdrucksvoll durch das von Schwarz ins hellgraue Nichts verschwindende Wort Mutternichts. Nichts anderes hätte besser gepasst.

Ich bin völlig überraschend restlos begeistert! Danke für diesen Roman!