Ein Buch wie eine Melodie

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
alexandros Avatar

Von

Dieses kleine Buch ist eine sprachliche Offenbarung. Jedem einzelnen Wort merkt man an, dass es nicht zufällig gesetzt ist. Eine melancholische Sprachmelodie zieht sich durch alle Zeilen, Absätze, Seiten bis zum letzten Punkt.

Worum geht es? Im Grunde um nichts. Um das im Titel genannte "Mutternichts". Das Unausgesprochene, Ungesagte der toten Mutter der Autorin Christine Vescoli, an der sie sich nun abarbeitet, zu ergründen versucht, worin wohl die Seele, das Leiden im Leben der Mutter bestand.

Zum Ende ihres Lebens gab es immer mehr dieser schweigenden Momente, nach denen die Mutter dann doch einen Satz oder nur ein Versatzstück sagte, das die Tochter aufhorchen ließ. Ließ sie etwas durchblicken? Wollte sie doch endlich etwas sagen von dem, was ihr auf der Brust drückte? Wollte sie, dass die Tochter endlich einmal fragte? Wie war das damals für dich, als du weggeschickt wurdest? Weshalb hast du laut Gedichte rezitiert, wenn du allein warst? Was hat dir die Arbeit als Kind, als Dirn am fremden Hof bedeutet? Weg von der eigenen Familie zu sein? Scheinbar nicht gewollt zu sein?

Doch im Leben haben Mutter und Tochter nie so gesprochen. Nun ist es zu spät, und Christine Vescoli versucht mit diesem Buch - ja, was eigentlich? Für mich beschreibt sie ihre Mutter mit ganz viel zärtlicher Liebe, fragt sie, versucht selbst zu antworten und setzt ihr somit nicht unbedingt ein Denkmal, entreißt sie jedoch den Klauen des Vergessens. Und das ist wohl das schönste Geschenk, das sie ihr machen kann.

Fazit: Am außen schmucklosen Buch könnte man leicht vorbeigehen. Doch im Inneren entfaltet sich eine sprachliche Wucht, die von viel Liebe zeugt. Ein wunderbares Buch.