Rosie ist tatsächlich Mutter „ob auf Reisen oder am Herd“.

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riraraffi Avatar

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Als Rosies 26-Jähriger Sohn Raffael alles stehen und liegen lässt, um im VW-Bus die Welt zu entdecken, nutzt sein ,Muttl’ die Gelegenheit, ihn ein wenig zu begleiten. So fängt eine von fünf Reisegeschichten der Hauptfigur Rosie an. „Figur” ist bei dem doch geringen Grad an Fiktion vielleicht das falsche Wort - Irmgard Rosina Bauer erzählt hier viel von sich und klärt den Leser erst am Ende über den Wahrheitsgehalt ihrer Geschichten auf. Die vier mittlerweile erwachsenen Kinder gibt es tatsächlich. Sie begleiten ihre Mutter teilweise auf ihren Reisen, vor allem jedoch Raffael, der einen etwas unkonventionellen Lebensweg wählt. So lernt sie etwas über Hippies, fremde Kulturen, die verschiedenen Arten des Reisens und auch über die eigene Familienhistorie. Vor allem lernt sie jedoch, die Welt als Mutter mittlerweile erwachsener Kinder zu entdecken - das heißt sie können einen begleiten und den Urlaub bereichern, oder man lässt sie nur in Form von Briefen teilhaben. Alles kann, nichts muss. Fast alles: Als ihr Sohn krank wird, kann sie nicht anders als zu ihm zu eilen und vielleicht doch nochmal mütterliche Standpunkte durchzusetzen.

Geschichten die vom Reisen handeln, erzählen oft auch von einer Reise zu sich selbst. Das es dafür keine Altersgrenze gibt und man sich immer neu erfinden kann wird uns hier definitiv gezeigt.
Mir gefällt, wie die Autorin die verschiedensten Formen von Urlauben einfließen lässt, Camping, Backpacking, Cluburlaub und die Reise zu den eigenen Wurzeln. Was mir partiell nicht so gefallen hat, ist der Umgang mit den anderen Kulturen. Vor allem bei der Reise nach Afrika ist mir die tendenziell eurozentristische Perspektive aufgefallen. Die Beschreibung des ,Fremden’ ist hier eher pessimistisch geraten, sie ist „immer auf der Hut vor der Fremdartigkeit der dortigen Menschen“. Ich hätte mir hier gewünscht, dass Rosie mehr wie ein Gast einer anderen Kultur auftritt, der sie auch nunmal ist. Natürlich sollte man bewusst und mit realistischen Erwartungen gewisse Grenzen betreten und manchmal erkennt man den Hauch von Selbstreflexion, bloß fehlt es mir allgemein an sprachlicher Sensibilität, vor allem bei dem Maß an Autobiografie. Vielleicht hätte eine Erzählperspektive des Sohnes hier einen ausgleichenden Moment geschaffen. Ansonsten bin ich Irmgard Rosina Bauer sehr dankbar für ihre wunderbaren Beschreibungen der Gebiete, die hier erwähnt und mit historischem Faktenwissen und sogar Fotos ergänzt werden. Das hilft der Vorstellungskraft ungemein! Auch die Erzählerin habe ich irgendwie in mein Herz geschlossen - da ich 25 und kinderlos bin, haben wir ja eigentlich eher weniger gemein. Für einen Brief wechselt die Erzählperspektive in die Ich-Form, da ist mir der Schreibstil zu unauthentisch und unnatürlich. Ansonsten mag ich die Erzählweise und es fallen viele schöne Sätze zur Mutterschaft, welche ich auch gerne auf mein „Muttl“ beziehe. Insgesamt eine leichte, teilweise ungewohnte Lektüre für mich, alleine wegen der Vermittlung spannender Reiseerfahrungen aber durchaus lesenswert.