Nach einer wahren Geschichte

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Eine Geschichte vom Identitätsdiebstahl. Das Leben einer Schriftstellerin wird von einer Fremden unterwandert. Aber wird es das wirklich? Interessante Frage. Die Protagonistin lernt L. auf einer Party kennen und die beiden Frauen freunden sich an. Dies führt so weit, dass L. zur Protagonistin zieht und sie im täglichen Leben „unterstützt“, d.h. ihre Kontakte nach außen systematisch untergräbt und immer mehr in die Rolle der Protagonistin hineinschlüpft bis sie sich schließlich sogar (mit deren Einverständnis) für die Protagonistin ausgibt. Zunächst fällt auf, dass die Autorin ihren Figuren grundsätzlich Namen gibt, nur für L. hat sie keinen, d.h. sie wird nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens bezeichnet, so als solle sie anonymisiert werden. Der größte Teil des Buches läuft – ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll – irgendwie langsam ab. Handlung ist wenig zu finden, eher Beschreibung. Die Protagonistin beschreibt ihre familiäre und berufliche Situation sowie ihren Arbeitsalltag. Dann kommt der Beginn der Beziehung zu L. Man braucht wirklich Muße, um das zu lesen und nicht nur das: Um ehrlich zu sein, braucht man eine gehörige Portion Geduld. Das Tempo ist langsam, um nicht zu sagen, verschlafen. Die Autorin verpasst den Punkt, an dem die Geschichte beginnen und das, was sie erzählen will, rüberkommen muss. Damit meine ich nicht, dass Spannung im Sinne von irgendwelchen blutrünstigen Splatter-Szenen erzeugt werden muss, die braucht dieses Buch nicht; aber ein bisschen mehr Dynamik wäre wünschenswert. Zwischendurch wird es völlig uninteressant und man hat gar keine Lust mehr, es überhaupt zur Hand zu nehmen. Erst am Schluss kriegt die Autorin dann doch noch die Kurve. Erst nachdem die Figur der L. abgetreten ist und die Protagonistin so langsam feststellt, was sie in ihrem Leben angerichtet hat und wie sie vorgegangen ist, stellt sich dieses gewisse „Gänsehautfeeling“ ein, auf das der Leser schon so lange gewartet hat. Den Schluss finde ich sehr gut, die Autorin reflektiert hier ein Thema, das sie ihre Protagonisten im Laufe des Buches intensiv diskutieren lässt: Darf ein Buch reine Fiktion sein, oder sollte es auf einer wahren Geschichte aufbauen? Welches von Beidem der Leser im vorliegenden Fall vor sich hat, weiß er am Ende nicht, und genau das ist das, was dieses Buch einigermaßen rettet.