Zwischen Wahrheit und Fiktion

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petris Avatar

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Als ich den neuen Roman von Delphine de Vigan entdeckte, war ich erst etwas skeptisch. Ich mag es nicht besonders, wenn Romane zu offensichtlich autobiographisch sind und sich der Autor/die Autorin in seine/ihre eigene Geschichte schreibt. Aber nachdem ich den Stil der Autorin sehr schätze und mir ihre bisherigen Bücher sehr gut gefallen haben, musste ich es dennoch versuchen.

Der Titel ist raffiniert gewählt und doppeldeutig. Einerseits bezieht er sich auf das Vorgängerbuch, das die wahre Geschichte der Mutter der Autorin erzählt, andererseits lässt es den Leser denken, dass dieser Roman einen wahren Kern hat und autobiographisch ist.

In Wirklichkeit landen wir aber in einem Spiel aus Realität, wahren Anteilen, Fiktion, Buch im Buch,… Am Ende ist man als LeserIn völlig ratlos und weiß nicht mehr, was wahr ist und was nicht. Mich erinnerte der Roman an die Bilder von Escher, die so realistisch wirken und doch in Echt nie existieren können, auf dem Bild bzw. in der Fiktion aber sehr wohl funktionieren.

Die Autorin, zugleich Ich-Erzählerin und Romanfigur, ist nach ihrem letzten Buch ausgebrannt, erschöpft und verletzlich. Da begegnet ihr L., die ihr schnell eine gute Freundin und Stütze wird. Sie bestärkt sie, hilft ihr bei der Themensuche. Doch rasch wird klar, L. drängt sich immer mehr ins Leben der Autorin, sie tut ihr nicht so gut, wie es zu Beginn scheint. Von Anfang an ist klar, dass das nicht gut enden wird, doch wie, das ist noch nicht vorhersehbar.

De Vigans Stil ist noch analytischer und treffsicherer geworden, es ist ein Vergnügen, ihren Gedankengängen zu folgen und sich von ihr auf falsche Fährten führen zu lassen. Besonders gut gefielen mir die Abschnitte über das Schreiben, das Finden von Geschichten und das Abwägen zwischen Wahrheit und Fiktion.

Von der Geschichte her gab es allerdings zwischendurch Längen. Auch war nicht alles ganz schlüssig, das mag Absicht sein, war aber nicht immer ganz klar.

Ein Roman, der verwirrt und auch spaltet, der aber auf alle Fälle spannend ist und zum Nachdenken anregt. Mir hat er gefallen!