Ein bewegender und nachhaltig wirkender Roman

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REZENSION – Mit seinem Roman „Nach Mattias“ hat der niederländische Schriftsteller Peter Zantingh (37) ein Buch veröffentlicht, das seine Leser anfangs vielleicht irritieren mag, aber nach Lektüre des Gesamtwerks wohl niemanden unberührt zurücklassen, sondern noch längere Zeit beschäftigen wird. Es ist ein Buch über die plötzliche Leere im Leben anderer, die der unerwartete Tod eines jungen Mannes hinterlässt. „Nach Mattias“ ist ein Buch über die Trauer, ohne traurig zu wirken, denn vor allem ist es ein Hoffnung stiftender Roman über das Weiterleben „nach Matthias“.
„Nach Mattias“ gleicht einer Sammlung von Kurzgeschichten, die erst in ihrer Gesamtheit ein Ganzes bilden - wie vielteiliges Puzzle, dessen Einzelstücke noch nichts erkennen lassen. Erst wenn ein passendes Stück zum anderen kommt, beginnt man nach und nach ein Bild zu erkennen. So lassen auch die einzelnen Episoden in Zantinghs Buch, erzählt von immer wieder einer neuen Person, anfangs noch kein schlüssiges Bild erkennen.
Acht Personen aus dem Umfeld des kürzlich verstorbenen Mattias – manche stehen ihm nah, andere haben ihn kaum gekannt – erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Wir lernen seine Freundin Amber kennen, die ihn nach einem Streit allein ins Konzert gehen ließ, und begleiten Mattias' besten Freund Quentin beim Marathonlauf, mit dem er versucht, vor seiner Trauer wegzulaufen. Quentins spät erblindeter Laufpartner Chris hat auch liebe Menschen verloren: Seine visuelle Erinnerung an Ehefrau und Tochter schwinden. Issam, der Roadie einer Pop-Band, kannte Mattias nur durch gemeinsames Computerspiel und über Facebook. Und Strandhaus-Besitzer Nathan kannte ihn überhaupt nicht, wartete aber an einem Abend vergeblich auf Amber und Mattias als Urlaubsgäste. Aller Leben bekommt durch Mattias' Tod eine neue Richtung.
Jeder, der ihn kannte, charakterisiert Mattias aus persönlicher Sicht, je nachdem wie nah oder fern er ihm stand. Daraus ergibt sich für uns Leser das Bild eines jungen, begeisterungsfähigen und lebenshungrigen Mannes in den Dreißigern, voller Energie und allen Menschen gegenüber aufgeschlossen, der plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Verständlich, dass Mattias' Mutter Kristianne ihren Sohn anders beschreiben würde als seine Freunde – ebenso wie die Einwanderin Tirra ihren Sohn ganz anders sieht als andere. Gerade dieses Gespräch zwischen den zwei Müttern, die jede ihren Sohn verloren hat, ist das emotional ergreifendste Kapitel des Buches, zugleich der noch fehlende Puzzle-Stein, mit dessen Hilfe sich uns Lesern endlich die Vorgeschichte um Mattias' Tod erschließt.
Peter Zantingh schafft es in seinem tief beeindruckenden und nachhaltig wirkenden Roman, mit kurzen Sätzen und ebenso kurzen Geschichten ein breites Spektrum von Gefühlen zu schildern, die unterschiedlichsten Charaktere lebendig und plastisch werden zu lassen. Zusätzlich fasziniert das Werk durch seinen für einen Roman ungewöhnlichen dramaturgischen Aufbau als literarisches Puzzle, dessen letzter Stein erst unser Bild vervollständigt. Uns wird gezeigt, wie charakterlich unterschiedlichste, sogar sich fremde Menschen durch Trauer miteinander vereint sein können. „Meine Trauer war nicht mein Eigen“, erkennt später auch Mattias' Freundin Amber. Peter Zantinghs erstes auf Deutsch veröffentlichtes Buch „Nach Mattias“ ist ein leiser Roman voller Gefühl, den man nach Abschluss seiner Lektüre nicht so schnell vergessen wird.