Eine Leerstelle, die neu gefüllt werden muss

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jenvo82 Avatar

Von

„Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es ein Buch über Trauer ist. Jemand ist gestorben, und die Hinterbliebenen müssen einen Weg finden, damit umzugehen. Aber ich finde, es ist viel mehr als das.“

Inhalt

So beschreibt der niederländische Autor Peter Zantingh seinen Text im Nachwort, der sich mit dem Leben der Bekannten, Freunde und Familie des jung verstorbenen Mattias beschäftigt, welche nach dessen Tod allein zurechtkommen müssen. Zunächst wäre da Amber, Mattias Freundin, die gerade an seinem Todestag im Streit mit ihm auseinandergegangen ist, oder Quentin sein Freund, mit dem er eigentlich in nächster Zeit eine Art Musikcafé eröffnen wollte. Und es folgen noch viele andere, die kurze, lange, intime oder oberflächliche Geschichten über den Verstorbenen erzählen, weil sie sein Leben in irgendeiner Weise berührt haben. Dadurch entsteht ein buntes Kaleidoskop an Einzelerzählungen, die sich ganz klar an der Zukunft orientieren, denn irgendwie muss das Leben nach Mattias weitergehen und das, was ihn ausmachte ist ohnehin tief im Herzen verankert, so dass sein Wirken zu Lebzeiten als Anlass genommen wird, die Zeit ohne ihn ein bisschen zu seiner Freude zu gestalten, vielleicht sogar nach seinem Willen.

Meinung

Am besten haben mir die Erinnerungen an Mattias gefallen, die alle Beteiligten aufleben lassen und die in ihrer Gesamtheit den Verstorbenen wieder lebendig machen, zumindest für den Leser. Es hat jeder ein etwas verschobenes Bild, oder besser gesagt, genau das, was Mattias demjenigen gegenüber preisgegeben hat. So trauert die Mutter um den Sohn, mit dem sie intensiv dessen Kindheit teilte, nicht jedoch sein Erwachsenenleben und die Freundin hadert mit seinen hochmotivierten Plänen und Luftgespinsten, die er nur selten verwirklichen konnte. Während der Freund merkt, dass ohne Mattias die Luft raus ist und der Motivator fehlt. Das alles ist empathisch, realistisch und lebensnah beschrieben.

Dennoch kann dieses Buch nicht ganz mein Herz erreichen, weil es mir für die Thematik zu leichtfüßig geschrieben ist und die Trauer der Hinterbliebenen nur einen ganz geringen Anteil ausmacht. Ich hätte mir gerne mehr Schwermut und auch einen intensiveren Blick in die Vergangenheit gewünscht. Dabei muss ich sagen, dass mir das Interview am Ende des Buches durchaus Verständnis gebracht hat, denn Peter Zantingh beschreibt sehr gut, worum es ihm bei seiner schriftstellerischen Arbeit ging. Er fragt sich z.B. welche Leerräume entstehen in Raum und Zeit, wenn man verstorben ist und wer oder was wird diese wieder füllen. Und genau dieses Bild hat er auch entworfen, es ist der Blick in die Zukunft mehrere Menschen, die wieder aufstehen, weitermachen und ihr Leben „nach Mattias“ gestalten.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen lebensbejahenden Roman nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Ein Blick in die nahe und ferne Zukunft, in Folge eines persönlichen Schicksalsschlags, der ganz plötzlich das Leben in eine andere Bahn gelenkt hat. Es ist kein echter Text über Trauer und Verlust in seiner reinen Form, es ist kein schweres, belastendes Buch über einen geliebten Menschen und dem Abschied von ihm. Dadurch trifft es nicht ganz meine Erwartungshaltung, doch im Nachhinein ist es nur ein anderer Blickwinkel, der hier eingenommen wird und wenn man sich der Perspektive des Autors anschließt ist es ein wunderbares, hoffnungsfrohes Buch, welches zeigt, wie wichtig vielschichtige Beziehungsgeflechte zwischen Menschen sind und das die Lücke, die ein Einzelner hinterlässt zwar geschlossen werden kann, doch die Erinnerung an ihn bleibt lebendig.