Make no little plans – was Menschen uns hinterlassen

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„Nach Mattias“ ist der neue Roman des Niederländers Peter Zantingh. Erschienen ist er im Diogenes Verlag und wurde von Hanni Ehlers ins Deutsche übersetzt. Es ist bereits Zantinghs viertes Buch, jedoch das erste, das auch auf Deutsch erscheint. Es erschien bereits 2018 in den Niederlanden.

Inhaltsangabe des Verlags:
Amber singt bei einem Konzert gegen ihren Schmerz an; Quentin läuft Kilometer um Kilometer, um der Erinnerung zu entkommen, und Kristianne möchte die wahre Geschichte ihres Sohnes erzählen. Diese Leben und das von fünf weiteren Menschen überkreuzen sich durch Mattias’ unerwartetes Verschwinden auf schicksalhafte Weise. Wie Puzzlesteine fügen sich ihre Geschichten zu einem Abbild von Mattias und werden trotz aller Trauer zu Zeugen seiner Begeisterungsfähigkeit und seines unbeugsamen Mutes, sich dem Leben jeden Tag vorbehaltlos hinzugeben.

Mattias ist tot. Wir wissen nicht, wie lange schon, wir wissen nicht, warum. Zwischen den Zeilen schwelt es: Es muss plötzlich gewesen sein, unerwartet. Und es muss schlimm gewesen sein. Wobei – das ist es irgendwie ja auch immer? Trotzdem hatte ich unterschwellig das Gefühl, dass es hier noch schlimmer als schlimm war, weil Mattias so plötzlich aus seinem Leben gerissen wurde – und eben auch aus dem Leben der anderen.
Lange kann Mattias’ Tod noch nicht her sein. Amber, seine Freundin, nimmt noch Pakete in der gemeinsamen Wohnung an. Mattias hatte sich gerade noch ein neues Fahrrad bestellt. Wie schmerzhaft es sein muss, noch Post für Verstorbene anzunehmen, lässt sich nur erahnen. Amber fällt ein Buch runter, das Mattias las bevor er verstarb. Dabei fällt das Lesezeichen heraus und Amber weiß nun nicht mehr, wo Mattias im Buch war und muss stundenlang weinen.

Die einzelnen Kapitel erzählen aus immer anderen Perspektiven durch die Zeit nach Mattias über die Zeit mit Mattias. Amber, die Freundin, Quentin, sein guter Freund und fast Geschäftspartner, Issam, seine Internetbekanntschaft, die Großeltern, seine Mutter – aber auch Personen, die Mattias gar nicht persönlich kannten und trotzdem durch seinen Tod beeinflusst wurden.

Peter Zantingh beschreibt diese Zeit nach Mattias’ Tod sehr wahrhaftig und nah. Das Buch erzählt, wie unterschiedlich Menschen trauern können, was ihnen hilft oder auch nicht.

„Trauer ist wie ein Schatten. Der richtet sich nach dem Stand der Sonne, fällt morgens anders als abends. Der lehnt dunkel und geduldig an der Wand, streckt sich in voller Länge über den Asphalt aus oder zeichnet hinter deinem Rücken die Sil­houette einer graziös drohenden Schlange auf den zu lange nicht gemähten Rasen.“ (S. 7)


Trotz der recht traurigen Thematik hinterließ es aber bei mir eine gewisse Wärme und auch Trost. Zu lesen, wie sich Menschen an den Verstorbenen erinnern, wie er in ihnen weiterlebt, zum Beispiel in Gewohnheiten, die sie durch ihn übernommen haben. Mattias’ Freude, Neugier und sein Tatendrang hallen in vielen Zeilen nach und lässt die Hinterbliebenen die eigene Trägheit, Faulheit oder Unsicherheit hinterfragen.

„Mit Mattias war es, als könnten Tage und Stunden ausgedehnt werden, so dass immer noch etwas anderes hineinpasste…“ (S. 25)

Der Klappentext zu „Nach Mattias“ suggerierte mir im ersten Moment, dass es ein Buch über Trauer ist. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte, denn eigentlich ist es viel mehr ein Buch über das Danach, über das, was Menschen hinterlassen. Nicht an Dingen, sondern wie sie auf andere eingewirkt, welche Spuren sie im Leben anderer hinterlassen haben. Ein tolles episodenhaftes Buch für alle, die sich mehr mit dem Thema Trauer und Hinterbliebene auseinandersetzen wollen.

Die Playlist zum Buch, die Mattias in seinem geplanten Café spielen wollte, findet sich hier: http://suan.fm/mix/HJWP0T8qH