Treibholz

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bavaria123 Avatar

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"Nachtlichter" ist ein Buch welches mich zunächst mal von außen beeindruckt. Ich finde das in Blautönen gehaltene Cover ansprechend und auch den Titel sehr gut gewählt.

Amy Liptrot erzählt hier aus ihrem Leben. Da ist die Kindheit auf den Orkneys, dem aus etwa 70 kleineren und der Hauptinsel Mainland bestehender, zu Schottland gehörender Archipel. Ihr Vater ist manisch depressiv, ihre Mutter flüchtet sich in eine gesteigerte Religiösität. Kein harmonisches Dasein für Amy und ihren Bruder.
So flüchtet sie ins quirlige London, doch auch hier findet sie keine Harmonie. Stattdessen rutscht sie in die Abhängigkeit vor allem von Alkohol.
Die ersten zwei Jahre ihrer Abstinenz verbringt sie dann größtenteils wieder in ihrer heimatlichen Region. Hier wartet Harmonie in einer ganz besonderen Art auf Amy.

Der Schreibstil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Er ist direkt und einfach. Die Empfindungen und vor allem ihre Schwächen beschreibt die Autorin ungeschönt und ehrlich. Die Beschreibung der Natur ist bildhaft und detailreich. Direkte Gespräche findet man keine, dafür aber Zeiten- und Ortssprünge. Wenn man sich aber erst einmal eingelesen hat, nimmt das Buch einen doch sehr in den Bann.

Die Schilderung ihrer Zeit in London, in der sie immer weiter in den Abgrund geraten ist, ist brutal. Aber nur so kann man als Leser verstehen, was die Alkoholsucht letztlich für die Autorin bedeutet. London ist für sie nur noch ein Ort, an dem sie Freunde verloren, im Vollsuff randaliert hat und immer auf der Suche nach hochprozentigem Nachschub auch nachts um drei war.

Im krassen Gegensatz dazu steht dann das Leben zurück auf den Orkneys. Hier steht sie zwar immer mal am schroffen Abgrund einer Insel und doch bemerkt man auch als Leser, wie sehr diese Gegend sie berauscht, ohne dass sie einen Tropfen Alkohol benötigt. Die Beschreibung dieser Fauna und Flora ist gewaltig. Ich war einmal auf den Orkneys und habe so viele Bilder selbst wieder direkt in den Kopf bekommen.
Und auch neugierig wurde ich gemacht. Da erzählt Amy Liptrot einiges über den Wachtelkönig. So musste ich mich einfach über diesen gelblichbraunen Vogel schlau machen.
Interessant sind auch die Darstellungen von historischen Begebenheiten auf den Inseln und die astronomischen Gegebenheiten. Für mich ist es außerordentlich ansprechend, dass jemand so aus den Kräften und Schönheiten der Natur viel für das eigene Leben herausnehmen kann. Allein schon dieser Punkt macht das Buch lesenswert.

"Nachtlichter" ist ein besonderes Buch, schonungslos brutal und ehrlich mit dem eigenen menschlichen Dasein und voller Dankbarkeit für die wunderschöne Natur. Da gebe ich gerne fünf Nachtlichter...nein, fünf Sterne.