Ein atmosphärisches Eintauchen in die Welt der Albe

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Das bekannte Gemälde von Füssli zeigt einen nicht gerade ansehnlichen „Nachtmahr“, der unheimlich mit seinem dämonischen Antlitz auf dem Körper einer schlafenden Frau sitzt. In dem Buch „Nachtlügen“ sind die Nachtmahre, hier Albe genannt, zumindest optisch nicht zum Fürchten und leben normal „unter uns“. Doch auch sie zapfen sogenannte Lichtträume an, um diese in wahre Schauerträume zu verwandeln. Daraus nähren sie sich, da sie sonst nicht überlebensfähig wären. „Ernten“ sie nicht ausreichend, vergiften sie sich mangels Abbau von Somnoluxin. Die Thematik hat mich direkt gefesselt und ich wurde nicht enttäuscht.

Isra, die Protagonistin arbeitet im Varieté als Kellnerin und muss aufgrund eines schrecklichen Vorfalls bei ihren nächtlichen Besuchen Sitzungen bei REM, dem Amt für reversible energieausgleichende Maßnahmen, besuchen. Dort wird ihre allgemeine Bedrohung eingeschätzt. Irgendwann läuft etwas aus dem Ruder. Todesfälle ihrer eigenen Stammträumer, die sie regelmäßig besucht und die nur für sie zugänglich sind, lenken das Buch in eine mysteriöse Richtung. War es Isra oder jemand anderes? Mit einer solch thematischen Wendung habe ich nicht gerechnet. Dennoch war der Kriminalistik-Aspekt spannend zu verfolgen.

Mir haben die regelmäßigen Zwischeneinschübe gefallen, die als „Intermezzo“ betitelt wurden. So hat man mehr über allgemeine Schlafphasen erfahren, Hintergründe zum „Ernten“ der Träume durch Albe und dessen Nebenwirkungen. Auch kleine Zitate unter anderem von ausgedachten Podcastern, Auszüge aus Interviews, erschienenen Fachartikeln, dem Regelwerk und den Newslettern von REM waren interessant, da sie weitere Informationen zu eigenen Erfahrungen als Alb und zu einzelnen Charakteren lieferten, denen man im Buch begegnet. Auf diese Weise wurde die Gemeinschaft der Albe greifbarer und man lernt die Charaktere aus einer weiteren Perspektive kennen. Ich empfand die Einschübe in keinster Weise als störend, noch haben sie mich im Lesefluss gestört. Vielmehr fand ich den Wechsel aus Story und Zwischeneinschüben abwechslungsreich und unterhaltsam.
Als Zwischensequenzen dienten auch die Nächte, in denen Isra Träumende in ihrem Heim besucht. Isra ist dafür bekannt fantasievolle Albträume mit ganz eigener Note zu kreieren. Gerne lässt sie auch kleine Andenken da, damit die aus dem Schlaf Erwachten sich an ihren Albtraum zurückerinnern. Diese Albträume wurden sehr kreativ und persönlich beschrieben. Mir machte der Ausflug in die Traumwelten sehr viel Spaß.

Die einzelnen Charaktere waren gut gezeichnet. Diese waren teils etwas unnahbar, aber für mich passend zum Mysterium um die Vorfälle. Den kleinen Mika habe ich direkt ins Herz geschlossen. Etwas komisch fand ich jedoch die sich so schnell veränderte Beziehung zur Mitbewohnerin, die sich die ganze Zeit nicht ausstehen konnten. Der spezielle Deal kam überraschend und fügte sich nicht ganz so gut ein. Ich hätte auch gerne noch mehr gewusst, was aus Roshan geworden ist. Das Ende wiederum war schön, beruhigend und hoffnungsvoll.

Ich vergebe vier Sterne für eine spannende Entführung in die Welt der Träume.