Sehnsucht nach einem kurzen Kuss aus der perfekten Welt

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r.e.r. Avatar

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Manchmal ist es wichtig, die eigenen Vorurteile zu überwinden. Zu einem Buch, dessen Cover ein Spiegelei in der Pfanne auf blauem Grund ziert, würde ich normalerweise nicht greifen. Was ein Fehler gewesen wäre, denn Axel Ranisch "Nackt über Berlin" verspricht mehr, als das Eier-Cover vermuten lässt.

Jannik, der Erzähler, ist ein sympathischer 16jähriger. Die Einstiegsszene während der er zu Rachmanninof in die Matratze ejakuliert, währendessen er seine Mutter beim Zumba und seinen Vater auf Dienstreise wähnt, ist wunderbar einfühlsam und humorvoll zugleich. Denn die Mutter ist natürlich keineswegs beim Tanzfitnesskurs, sondern kommt - dem Höhepunkt gleich - ins Zimmer. Fieberhaft versucht Jannik die wahre Ursache für Kurzatmigkeit, Gesichtsrötung und Erschöpfung zu verbergen. Was ihm Ingwertee, ein heißes Bad und die mütterliche Rundumbetreuung einbringt. Jannik, zeigt sich als liebevoller Sohn, der erkennt, dass die Fürsorge der Mutter weniger der Sorge um ihn, als der Flucht vor einem einsamen Abend entspringt. Ein sensibler Junge.

Was sich auch im weiteren Verlauf der sich rasant entwickelnden Geschichte zeigt. Wenn sein Freund Tai kurzerhand beschließt, den unbeliebten Rektor ihres Gymnasiums übers Wochenende in der eigenen Wohnung zu festzuhalten, weil "er ein Wichser ist" und "weil es geht".

Gut, dass anfangs klar wurde das Jannik ein freundlicher, sensibler und auch einfallsreicher Junge ist. So kann man der Aussage vertrauen, mit der Tai in beruhigen will: "Vertrau mir. Keinem geschieht Unrecht. Alles wird gut!"
Ich bin zuversichtlich, dass dies so sein wird. Aber erst möchte ich lesen, was passiert bevor am Ende alles gut wird.