Verlust und Hoffnung

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dicketilla Avatar

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Sie hatte es nicht rechtzeitig geschafft, die Mutter war ohne sie an einen Herzinfarkt verstorben, aufbewahrt in einem Kühlfach lag sie nun, klein wie ein Kind sah sie aus. Und so kommen die Erinnerungen an eine Mutter auf, die sie eigentlich nie richtig gekannt hatte. In Ostpreußen aufgewachsen, behütet und voller Fröhlichkeit. Dann aus dem Leben gerissen, von der Familie getrennt über das gefrorene Haff, als Teil eines Flüchtlingszuges, in ein ungewisses Leben. Dieses Leben stets geprägt von Verlusten, Sehnsüchten, geprägt durch ein Trauma einer Verlassenen. Oft in sich versunken, nicht öffnend, aus sich heraus fliehend.
Und so beginnt die Tochter die Geschichte von Rose zu Papier zu bringen.

„Ich hatte an Mutter gedacht, an die Erinnerung an sie und all ihre Erzählungen. Ich musste sie aufschreiben. Nicht nur, um die Dinge in Einklang zu bringen. Mutter musste Spuren hinterlassen. Das ist das Geringste, was ich tun kann. Wo ich schon nichts anderes vermocht hatte.“

Zu Beginn liest sich das Buch wie Tagebuchaufzeichnungen, mal das Leben der Tochter auf ihrer Insel in Schweden, mit ihrem Mann Lech, dann in Rückblenden der Zeitpunkt des Todes der Mutter. Am Ende sind es einzelne Geschichten, die erzählt werden. Wie ein langsames Öffnen, herantasten an das Leben ihrer Familie.
Der Großvater in seinem Wolfspelz, wie ein König, der Vater mit seinem Waldhorn spielend, die innige Verbundenheit der Mutter mit ihrem älteren Bruder Ewald. Die Zeit des Krieges, der Flucht, dem neuem Leben im Westen, der Teilung Deutschlands. Diese Geschichte der Familie ist auch ein Spiegelbild der geschichtlichen Umbrüche, denen auch die Familie ausgesetzt ist.

Oftmals wird in Familien über die Zeit des Krieges, der Vertreibung wenig erzählt. Ich erlebte es auch bei meiner Mutter, die sich erst im Alter öffnen konnte. Ich ähnlich wie die Autorin begann ihre Erinnerungen zu Papier zu bringen, für weitere Generationen bewahrt.
Astrid Seeberger vermag intensiv und sprachgewaltig den Leser zu fesseln. Ihre Charaktere sind sehr bildhaft erarbeitet. Sie lässt aber auch viel Raum für eigene Empfindungen, sich selbst mit dem was man erfährt auseinander zu setzen. Oftmals sah ich meine eigene Großmutter mit ihrem Karren, im nicht enden wollenden Flüchtlingszug, dem ewigen Traum von ihrer alten Heimat in sich tragend. Schicksale, die bald nur noch in Erinnerungen derer sind, die davon berichten können, oder wie hier die Autorin, die sie durch ihr Buch nicht in Vergessenheit geraten lässt.
Einer autobiografischen Geschichte, der noch weitere folgen sollen.