Kleine verzeihbare Schwächen

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straßenprinzessin Avatar

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Es war falsch, verdammt. Er war mein Entführer und kein Traumtyp aus einem der vielen Bücher, die ich bisher verschlungen hatte. Er war Liam Winterfeld, verurteilter Gewaltverbrecher und ich musste es noch mal betonen: mein Entführer! Und trotzdem zog er mich an, wie der Eisberg die Titanic. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht daran zerbrach und unterging. (Seite 98)

Das Buch hat, ähnlich wie seine Hauptcharaktere, so einige schwächen, die meiner Meinung nach vollkommen verzeihbar waren. Ich war total überrascht vom Verlauf der Story und fand die Abweichungen von den “realen“ Gesetzen eigentlich ganz passend. Es hat die Geschichte an sich wesentlich authentischer Gemacht. Ich finde, einen gewissen Freiraum sollte jeder Geschichte zugestanden werden um in sich Schlüssig zu sein. Auch die Charakter, vor allem Helena, waren manchmal Nervenaufreibend aber dennoch auch ziemlich Liebenswert. Ich mochte beide und fand, dass sie sehr gut zusammen gepasst und sich ergänzt haben. Während Liam in eine sehr radikale Richtung tendierte, war Helena immer ein wenig die Stimme der Vernunft und zusammen haben sie einen recht guten Mittelweg gefunden, der mich bis zum Ende gefangen genommen hat.
Als Leserin konnte ich beide Seiten sehr gut nachvollziehen und war ebenso wie die Charaktere zwischen Wut, Hass, Entsetzen und manchmal auch Glück hin und hergerissen. Trotz dem furchtbaren Thema, welches das Buch manchmal hat so schwer werden lassen, war es zwischendurch allerdings auch mal Federleicht durch Situationskomik, durch Helena, durch Liam. Ich mochte das gekappel der beiden, weil es einem die Chance gegeben hat, auch mal aufzuatmen und nach einigen bedrückenden Seiten wieder etwas runterzukommen.
Helena ist eine sympathische, wenn auch gelegentlich nervige, Protagonistin, die ich eigentlich super gerne hatte. Sie ist erst 20 und ich finde ihr Gefühlschaos, ihre Unerfahrenheit und stellenweise auch ihre Weltverbesserische Naivität ganz süß. Ihre Meinung vertritt sie authentisch und ich finde, dass sie nicht ein erzwungener Gegenpart zu Liam ist.
Liam habe ich ebenso ins Herz geschlossen. Er ist der typische Bad Boy. Harte Schale, weicher Kern. Der Knacki, der irgendwie doch nur ein Opfer der Gesellschaft ist. Dennoch auch hier, wie Helena, völlig authentisch in seinem Handeln und wirken.
Neben Helena und Liam gibt es noch andere wichtige Charakter, die man schnell ins Herz schließt oder von Grund auf Hassen tut.
Die Geschichte rast von Kapitel zu Kapitel und wird, meiner Meinung nach, auch mit weiterem Verlauf immer besser. Ab der Hälfte des Buches konnte ich es gar nicht mehr weglegen, weil ich unbedingt wissen musste, wie es weiter geht und was Liam und Helena noch so durchstehen müssen. Wenn ich es doch mal geschafft habe, dass Buch aus den Händen zu legen (müssen), viel es mir kurz darauf wieder ganz leicht in die Geschichte einzutauchen. Der Schreibstil passt sich der jeweiligen Situation gut an. Spannende, lockere und lustige oder traumatische Situationen kommen gut rüber und wirkten für mich zu keiner Zeit aufgesetzt oder gestellt. Ein bisschen gestört und meinen Lesefluss unterbrochen hat mich hin und wieder allerdings die Beschaffenheit der Seiten. Warum auch immer sind die Seiten auf Hochglanzpapier. Das macht das Buch nicht nur unglaublich schwer, sondern stört immer wieder durch reflektionen durch (Lampen)Licht oder Sonneneinstrahlung. Ständig war ich am hin und her rutschen, nur um die perfekte Position zu finden, um entspannt zu lesen ohne ständig mehrere Sätze ausgeblendet zu bekommen. Auch das Cover besticht leider durch einen kleinen Minuspunkt. Trotz normalen Umgang mit dem Buch löst sich die erste Beschichtung und sieht nicht ganz so schick aus. Dennoch gefällt mir das Cover an sich sehr gut. Es hatte sofort meine Aufmerksamkeit und nach dem Lesen kann man so einiges hinein interpretieren. Der Klappentext ist passend, auch wenn er mich auf eine total falsche Fährte gelockt hat. Total überrascht aber auch ein wenig begeistert bin ich, dass es scheinbar einen weiteren Teil geben wird, zumindest wirkt es nach diesem fiesen Cliffhanger so. Ich bin gespannt ob Helena auch hier weiterhin den erzählenden Part übernimmt oder ob es nun ein abklatschen mit XXX gibt. Beides könnte ich mir gut vorstellen.
Alles in allem ist Narbensohn, den Titel finde ich im übrigen super gewählt, ein wirklich nervenaufreibender Thriller, der nach kurzen schwanken zwischen 4 und 5 Sternen, definitiv seine 5 Sternchen bekommt.
Ich bin total froh und bereue es nicht, hierfür meine vorablesen Pünktchen eingelöst zu haben!