Fundiert, umfassend und verständlich - aufwändige Umsetzung im Alltag

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linus63 Avatar

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Mit dem Anspruch, einfach ein schmackhaftes und ansehnliches Brot auf den Tisch zu bringen, gibt sich der slow baker Werner Kräling nicht zufrieden. Keine Kompromisse, ist sein Motto, ausschließlich Mehl, Wasser, Hefe, Salz und Natursauerteig, gepaart mit dem notwendigen Wissen und Geduld sind notwendig, um ein gesundes und wohlschmeckendes Brot zu backen.

Gut 230 Seiten umfasst sein Buch 'natürlich BROT BACKEN', in dem er die Kunst des Brotbackens auch dem Laien zugänglich macht. Hiervon sind die ersten 100 Seiten allein dem Thema 'Alles Wissenswerte ums Brotbacken" gewidmet. Fundiert, ausführlich, umfassend illustriert und vor allem auch für den Laien verständlich führt er den Leser an das Thema heran, angefangen bei verschiedenen Getreidesorten, den weiteren Zutaten und den zum Brotbacken erforderlichen Geräten. Schritt für Schritt erklärt er die einzelnen Vorgänge, geht auf die traditionelle Backkultur und verschiedene Arten der Sauerteigherstellung ein, bevor er auf viele Dinge hinweist, die für mich bisher eher nebensächlich waren. Hierzu zählt beispielsweise die Bedeutung des Knetens, das je nach Getreideart unterschiedlich lang und in verschiedener Intensität ausfallen kann. Ebenso wenig bewusst waren mir die nicht unerhebliche Bedeutung von Teigruhe und Teigtemperatur. Anschließend stellt er unterschiedliche Techniken vor, das Brot in Form zu bringen, bevor es ein weiteres Mal ruhen muss (auf Gare ist) und schließlich in den Ofen darf.

Im zweiten Teil wird es mit einer Vielzahl sehr variantenreicher Rezepte praktisch. Klassiker wie z.B. Ciabatta, Baguette oder Toastbrot, Weißbrote, Landbrote und Brote aus Vollkornmehl finden hier ebenso ihren Platz wie ein Brot mit den weniger gängigen Getreidesorten Emmer und Einkorn, außergewöhnliche Brote wie z.B. ein Linsenbrot oder ein Grünkohlbrot mit Mettwurst, und süße Varianten wie z.B. der bekannte Hefezopf, Bananen-Kokos-Stuten oder auch ein Schoko-Chili-Kirsch-Brot.

Das Buch ist hochinteressant und ich würde viele Rezepte am liebsten sofort ausprobieren - doch slow baking benötigt einfach seine Zeit. Das Backen dieser Rezepte ist immens zeitaufwändig und in meinen Berufsalltag fast nicht zu integrieren. So benötigt man z.B. für den Teig des Dinkelvollkornbotes einen Dinkelsauerteig, der 12-18 Stunden zuvor angesetzt wurde und ein Kochstück, das bereits mindestens 5 Stunden steht. Für das Weizenvollkornmehlbrot hingegen sind ein Weizenhefevorteig mit einer Reifezeit von 1-5 Stunden, sowie ein Weizensauerteig mit einer Reifezeit von 10-16 Stunden zur eigentlichen Teigbereitung erforderlich. Erst danach wird der Teig geknetet (zwischen 19 und 25 Minuten), nach einer weiteren Ruhezeit von ca. 40 Minuten geformt, bevor es für ca. 40-45 Minuten auf Gare gestellt und schließlich für ca. 70 bzw. 45 Minuten in den Ofen kommt. Stellt man den Sauerteigansatz selbst her, verlängert sich die Gesamtzeit entsprechend. Die zweite Herausforderung ist die Teigtemperatur, die bei der Zubereitung meistens zwischen 25°C und 30°C liegt, und während der Ruhezeiten beibehalten werden soll - in unserer Wohnung ein unmögliches Unterfangen. Auch unser Backofen ist hierbei keine Hilfe, da er erst ab 50°C anspringt.

Nichtsdestotrotz habe ich mich an das Weizenvollkornmehlbrot und das Dinkelvollkornbrot inklusive selbst angesetztem Sauerteig herangewagt - letztendlich eine Aktion über knapp zwei Tage. Die Umsetzung verlief nicht ganz planmäßig - meine Teige waren zu flüssig und wurden deshalb in der Form gebacken - doch trotzdem mit Erfolg, denn die Brote schmeckten hervorragend und wurden in unserer Familie mit Begeisterung angenommen. Hier ist wohl etwas Übung und Erfahrungen sammeln angesagt.

Fundiert, umfassend und verständlich erhalte ich in diesem Buch Informationen und Hintergründe zum Backen eines "natürlichen" Brotes. Es hat mich begeistert, aber auch etwas frustriert, da sich die Umsetzung in meinem Alltag durch den Zeitaufwand und die erforderlichen Temperaturen als sehr schwierig herausgestellt hat. Wer sich jedoch grundsätzlich mit dem Thema intensiv befassen möchte, und die notwendige Zeit und Geduld zum Backen mitbringt, sollte hier auf jeden Fall zugreifen.