Solide geschrieben, aber etwas zu viel des Guten

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Kristina Moninger erzählt in ihrem Buch „Neun Tage Wunder“ eine gekonnt aufgebaute Geschichte von Liebe und Verrat. Protagonistin Anni lebt seit vielen Jahren glücklich mit ihrem festen Freund Ben zusammen, zeitweise auch mit seiner Tochter Lena und seiner Schwester Maren. Doch bei einem Restaurantbesuch entdeckt sie auf einem Werbeplakat ein Foto ihrer ehemaligen großen Liebe und wird um zehn Jahre zurückgeworfen zu dem Tag, da sie diese verraten hat – wodurch, weiß man zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt – der Perspektive der heutigen Anni, der Perspektive der damaligen Anni von vor zehn Jahren und der Perspektive ihres heutigen Freundes Ben, der Schriftsteller ist. Die Rückblende auf die damalige Anni ist als Countdown inszeniert – von Tag 9, dem Kennenlernen ihrer ersten großen Liebe, bis zu Tag 0, dem Tag des Verrats. Dazwischen kontrastiert die heutige Geschichte von ihrem „normalen“ Leben, in dem die besten Freunde, Bens Verwandte, ihr Beruf und auch ihre Gefühle als „Zweitmama“ eine Rolle spielen. Es irritiert anfangs, dass auch Ben zwischendurch erzählt, wie er das Heute mit Anni sowie sein Weiterkommen bei seinem neuen Roman erlebt; erst später wird klar, dass das, was er erlebt, zur Verbindung zwischen der Anni damals und der Anni heute wird und alte Konflikte neu belebt.
Man kann also von einer gut konstruierten Geschichte sprechen – trotzdem ist sie für meinen persönlichen Geschmack etwas zu klischeebeladen und übertrieben. Anni ist heute nicht nur glücklich, sie lebt glücklich in Glückstadt und das eigentlich wunschlos: Es ist genau richtig, dass sie in einer festen Beziehung, aber unverheiratet ist, es ist genau richtig, dass sie eine zweite Mutterrolle für Bens Kind einnimmt, ein eigenes Kind wünscht sie sich aber nicht, und die Beziehung zu der Mutter des Kindes, also Bens Exfrau, ist genau richtig, nämlich angenehm unkompliziert, und Eifersucht, und sei es auf Vergangenes, kein Thema. Bens beste Freundin ist jetzt ihre eigene und spürt quasi telepathisch, wann es ihr wie geht, und die zwei wichtigsten Männer in ihrem Leben – von ihrem Vater und ihrer schwierigen Beziehung zu ihm einmal abgesehen – sind beide gutaussehend, humor-, liebe- und verständnisvoll und natürlich völlig vernarrt in sie. Die erste Liebe, die sie erlebte, währte gerade einmal neun Tage, war aber dennoch so intensiv, dass das Wort „Wunder“ dafür herhalten muss, vom verlassenen Mann als die Geschichte seines Lebens bezeichnet wird und Gegenstand eines späteren Bestseller-Romans wird.

Bei der ersten Lesung dieses Bestsellers schmuggelt Anni ihrem Ben Sprudelwasser anstatt des gewünschten stillen Wassers ins Glas (warum auch immer). Mit der Enthüllung des Verrats, auf die das ganze Buch zustrebt, verhält es sich genau umgekehrt: Man erwartet Sprudelwasser, muss aber letztlich stilles Leitungswasser trinken: Den Durst stillt es, aber das Kribbeln bleibt aus.

Wenn man etwas fürs Herz sucht, eine Geschichte, die nicht lange nachbebt, aber für einige Stunden mit einem bunten Misch aus dem Leben, warmherzig erzählten Szenen. ein paar philosophischen Betrachtungen rund um Nostalgisches und einem durchaus stimmigen Plot unterhält, kann man das Buch gut lesen. Sollte man allerdings die Meinung vertreten, dass gerade bei einem Liebesroman weniger manchmal mehr ist, dass Worte wie „Wunder“ und „Magie“ sparsam eingesetzt wirkungsvoller sind und dass es bei einem echten Konflikt reicht, diesen ins Zentrum zu setzen anstatt noch mehrere, eigentlich irrelevante Nebenschauplätze zu eröffnen, nur damit noch ein paar weitere Lebensweisheiten unterkommen, sucht man sich besser ein anderes Buch.