Wenn Chinesen eine "Massenreise" durch Europa machen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
adel69 Avatar

Von

Wer sich für China und die Chinesen interessiert, dem empfehle ich das Buch

Neusschweinstein

des deutschen Autors

Christoph Rehage.

Wie mir das Buch gefallen hat, zeigt der folgende Bericht.



Worum geht es in dem Buch?

Christoph Rehage spricht perfekt Mandarin-Chinesisch, weil er Sinologie (Japanisch und Chinesisch) studiert hat. Deswegen weilt er oft in Peking (wo er auch schon zwei Jahre gelebt hat) und ist auch in chinesischen sozialen Netzwerken unterwegs. Er nennt sich dort „Leike“.

Gerade, weil er sich so sehr für China und die Chinesen interessiert, hat er die Idee, sich in China einer chinesischen Reisegruppe anzuschließen, die Europa besuchen will. Das ist zuerst nicht einfach, klappt aber dann doch. Er ist also Teilnehmer einer chinesischen Reisegruppe, die eine „Massenreise“ nach Europa unternimmt. Der Führer der Reisegruppe ist Herr Huang, ebenso Chinese.

Christoph Rehage startet als Teilnehmer der Reisegruppe in Peking, landet in München, reist mit zwölf Chinesen und Führer Herrn Huang nach Neuschwanstein, nach Venedig und Rom in Italien, nach Luzern in die Schweiz und so weiter. Er beobachtet seine chinesischen Mitreisenden. Er nimmt beispielsweise wahr, wie schlecht ihnen das Essen in China-Restaurants in Deutschland schmeckt, wie sparsam sie sind, wenn sie in einem Laden sind, der echte Schweizer Uhren verkauft und so weiter.

Wenn ihnen etwas nicht gefällt, schweigen sie aber. Nur dem Autor gegenüber tauen sie im Laufe der Reise auf. Sie erzählen ihm, dass sie eine Sondervereinbarung unterschreiben müssen, bevor sie eine Reise nach Europa antreten. Wer sich beispielsweise von der Reisegruppe entfernt, bezahlt 100.000 Yuan Strafe! Die chinesische Regierung befürchtet offensichtlich, dass chinesische Reisende nicht mehr in ihr Land zurückkehren, sondern die Reise dafür nutzen, um sich in ein europäisches Land abzusetzen.

Wenn ein Chinese eine Reise nach Europa bucht, muss er auch damit rechnen, dass seine Verwandten von den chinesischen Behörden angerufen werden. Sie wollen erfahren, welche Orte genau die Chinesen besuchen wollen und warum.

Das Wort „Neuschweinstein“ ist nicht absichtlich falsch geschrieben. Es verdeutlicht, dass Chinesen, wenn sie Menschen sympathisch finden, absichtlich Wörter falsch aussprechen. So gibt es Chinesen, die statt „Neuschwanstein“ „Neuschweinstein“ sagen.



Meine Meinung zu diesem Buch:

Als ich noch als Exportsachbearbeiterin tätig war, hatte ich oft mit China und Chinesen zu tun. Deswegen begann ich, mich für China zu interessieren und war bereits zweimal dort – und auch zweimal in Hong Kong.

Mein Interesse an China und den Chinesen machte mich auch gespannt auf dieses Buch.

Das Buch zog mich sofort in seinen Bann. Der Autor hat eine angenehme Art zu schreiben, die sich auch flott lesen lässt. Ich wollte wissen, ob und wie er eine Reisegruppe findet, der er sich als Mitreisender anschließen kann. Auch wenn ich schon einiges über China und die Chinesen weiß, habe ich durch die Lektüre dennoch einiges gelernt. Dass „Gruppenreisen“ als „Massenreisen“ in China gelten, wusste ich nicht. Auch nicht, dass es in einem chinesischen Reiseprospekt offensichtlich sehr wichtig ist, Schweizer Uhren abzubilden.

Dass Chinesen anfangs ruhig sind und nicht viel sagen, wusste ich. Sie müssen erst „auftauen“, sind aber dann bereit, dem Autor einiges zu erzählen. Neben den Eindrücken, wie sie diverse Sehenswürdigkeiten und Städte besichtigen, bekommt man auch mit, was ihnen gefällt – und welchen Zwängen sie unterliegen. Welcher Deutsche beispielsweise würde eine Reise mitmachen, wenn er mit 100.000 Yuan Strafe rechnen muss, wenn er sich von der Reisegruppe entfernt? Ich kenne niemanden, der sich so unter Druck setzen lassen würde. In China scheint das offensichtlich normal zu sein, zumal es auch schon Chinesen gab, die eine „Massenreise“ nach Europa nutzten, um nicht mehr nach China zurückzukehren.

Interessant fand ich auch zu lesen, wie sich eine chinesische Reisegruppe verhält, wenn einer von ihnen seinen Pass vergessen hat. Da fährt man auch mal wieder ins Hotel zurück, um den Pass zu holen – und nimmt deswegen in Kauf, länger im Bus zu sitzen.

Endlich habe ich auch erfahren, warum es in China so viele „Hock-Klos“ gibt. Wer als Deutscher in China weilt und in ein öffentliches „Hock-Klo“ gehen muss, tut das oft nur mit Widerwillen oder gar nicht. Bei den Chinesen ist es anders. Sie finden ihre „Hock-Klos“ toll, weil sie sich aus hygienischen Gründen nicht auf eine Klobrille setzen wollen. Dass man eine Klobrille auch mit Papier auslegen kann, damit man sie nicht berührt – davon wollen die wenigsten Chinesen etwas wissen...



Mein Fazit:

Das Buch „Neuschweinstein“ berichtet darüber, wie es Chinesen geht, die in einer Reisegruppe europäische Städte und Sehenswürdigkeiten bereisen. Alles ist aus der Ich-Perspektive aus Sicht des Autors geschrieben.

Wer ein spannendes Buch lesen will, sollte zu anderer Lektüre greifen. Wer sich aber für Chinesen interessiert und einen informativen und mit Humor geschriebenen Reisebericht lesen will, der sollte bei diesem Buch zugreifen.

Ich vergebe 5 Sterne und eine Leseempfehlung.