Der weiße Schimmel - ein Traum aus der Zukunft

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buecherfan.wit Avatar

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Mit “Nichts als Erlösung” legt Gisa Klönne ihren fünften Roman aus der Serie um die Kölner Ermittler Judith Krieger und Manni Korzilius vor. Judith Krieger erwacht nachts von einem wiederkehrenden Albtraum, in dem ihr ein weißer Schimmel erscheint, und sie beschließt, am Rheinufer joggen zu gehen. Sie hört Schreie und befindet sich plötzlich an einem Tatort. Ein amerikanisches Paar ist über die gesichtslose Leiche eines jungen Mannes gestolpert, dessen Identität zunächst nicht festzustellen ist. Es wird Judith Kriegers Fall.

Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten um Jonas Vollenweider handelt. Vollenweider war 20 Jahre zuvor verdächtigt worden, seine Eltern und seine Schwester Miriam ermordet zu haben. Es gab damals sehr viel Blut im Haus, aber ihre Leichen wurden nie gefunden. Es ist unklar, ob Jonas oder vielleicht seine Schwester die Morde begangen hat, aber es ergibt keinen Sinn, dass nun nach so langer Zeit auch Jonas Opfer eines Mordes wird, als er das leerstehende Elternhaus verkaufen will.

Die Ermittlungen sind schwierig und langwierig. Judith Krieger und Manni Korzilius haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, und Judith wird außerdem ständig von dem aufdringlichen Kurier-Reporter René Zobel verfolgt, der gern auch mal sehr unvorteilhafte Fotos von Judith in seinem Blatt veröffentlicht und hofft, sich mit dieser sensationellen Story zu profilieren.

In die Geschichte wird auch Eric Sievert verwickelt, der nachts mit einer speziellen Ausrüstung in Hessen auf Schatzsuche geht und hofft, mit verbotener Raubgräberei viel Geld zu verdienen. Er stößt auf Knochen, findet eine wertvolle Goldkette und gerät selbst in höchste Gefahr.

Schon bald deutet sich an, dass das Motiv für die Morde in der Vergangenheit liegt. Hans Vollenweider und seine Frau waren nach dem Krieg Heimleiter des Kinderheims “Frohsinn”, wo noch für viele Jahre ein von der Nazi-Ideologie und dem Erziehungsleitfaden “Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” von Johanna Haarer (1934) inspirierter Erziehungsstil praktiziert wurde. Missbrauch, Kindesmisshandlung und Ausbeutung waren an der Tagesordnung und haben schweren Schaden angerichtet. Hier setzen die Ermittler an und versuchen, Betroffene ausfindig zu machen, die eventuell als Täter in Frage kämen.

Gisa Klönne ist wieder ein beeindruckender Roman gelungen, der ein sehr heikles Thema aus der deutschen Vergangenheit aufgreift. Jeder weiß inzwischen aus der Presse von den Missbrauchsvorwürfen gegenüber dem Personal von staatlichen und kirchlichen Heimen, von schwer traumatisierten Opfern, die aus Scham Jahrzehnte geschwiegen haben und erst in den letzten Jahren mit ihrem Leid an die Öffentlichkeit gegangen sind, aber kaum einer wird wissen, dass nach dem Krieg etwa 1 Million Kinder in ungefähr 3000 Heimen lebten und dass Heiminsassen noch bis in die 60er Jahre mit dem immer noch gültigen Erziehungsstil aus Nazizeiten gequält wurden. Es ist Klönnes Verdienst, diese Problematik in ihrem neuen Roman bewusst zu machen.

Wie immer gefällt auch die sorgfältige Charakterisierung ihrer Figuren, allen voran Manni Korzilius, der mit seiner neuen Lebenssituation als werdender Vater nicht zurechtkommt und Judith Krieger in einer neuen, glücklichen Beziehung, die aber immer noch unter den Folgen eines Falles leidet, bei dem sie selbst fast ihr Leben verlor und in Notwehr tötete.

Das etwas andere Ende hat seinen eigenen Reiz: ein Traumtier, das Wirklichkeit wird und Judith befreit, ihr endlich einen Neubeginn ermöglicht.