endlich erlöst!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
linus63 Avatar

Von

Beim nächtlichen Joggen stolpert Judith Krieger zufällig über einen Tatort mit einem Toten, dessen Gesicht weggeschossen wurde. Zusammen mit ihrem Kollegen Manni Korzilius nimmt sie die Ermittlungen auf. Das Opfer ist der Sohn und ehemalige Hauptverdächtige in einem 20 Jahre zurückliegenden, nie aufgeklärten Verbrechen, bei dem ein pensioniertes Ehepaar - ehemalige Leiter eines Kinderheims - mit ihrer Tochter spurlos verschwanden. Alles deutet darauf hin, dass das Motiv im früheren Kinderheim zu suchen ist. Gleichzeitig sucht der Täter Kontakt zu Judith - er schickt ihr Fotos...

Das flüchtende Kind im roten Kleid in einem kahlen, grauen Raum weckt mein Interesse und ist als Cover für diesen Fall ebenso passend gewählt wie der Titel, dessen Sinn sich mir im Laufe der Geschichte erschließt und im Rückblick betrachtet das Ziel des Täters klar zum Ausdruck bringt.

Gisa Klönne führt den Leser in verschiedenen Handlungssträngen durch die Geschichte. Zu Beginn jeden Kapitels erhalte ich Einsicht in die Gedanken und Gefühle des Täters, dessen geballter Schmerz ab der ersten Seite deutlich zu spüren ist. Parallel hierzu wird die Geschichte von Eric Sievert geschildert, der nachts im Wald heimlich nach Schätzen aus der Römerzeit sucht. Sie scheint auf den ersten Blick nichts mit dem Verbrechen zu tun zu haben, fügt sich jedoch allmählich wunderbar in das Geschehen ein, während in weiteren Strängen Ermittlungen aus unterschiedlichen Perspektiven stattfinden. Die frühe Kenntnis des Motivs, wobei die Person des Täters lange ein Rätsel bleibt, ergänzt den gelungenen Aufbau und erzeugt bis zum schlüssigen Ende durchgehend Spannung.

Sehr behutsam und gefühlvoll beleuchtet Gisa Klönne in diesem Krimi das Thema Kindesmisshandlung aus unterschiedlichen Sichten. Sie betrachtet dabei nicht nur Fälle im Kinderheim Frohsinn in der Nachkriegszeit bis zur Schließung des Heims, sondern lässt zusätzlich ihre Hauptcharaktere, unter anderem auch die Ermittler, an dunkle Punkte ihrer Kindheit zurückkehren, was die Personen vielschichtig und tief macht. Aus dieser Thematik heraus schaffen es Manni und Judith, mit ihrer heutigen Sicht, einige, bisher unbeachtete Aspekte zu Ereignissen in ihrer Kindheit zu entdecken, die ihre Mütter in einem anderen Licht erscheinen lassen. Allerdings muss ich dazu anmerken, dass die Kenntnis der vorherigen Bände hilft, diese Entwicklung der Ermittler wirklich zu verstehen, da dort einige dieser Vorkommnisse ausführlich geschildert sind, während sie hier nur gestreift werden.

Was mir noch sehr gut gefällt ist, dass die Autorin nicht nur den eigentlichen Missbrauch anspricht, sondern darüber hinaus die Konsequenzen, die er für das weitere Leben der Betroffenen haben kann und wie in der Folge verschiedene Charaktere unterschiedliche Verhaltensweisen entwickeln, damit umzugehen. All dies schreibt sie sehr klar, ausdrucksvoll und einfühlsam und sie schafft es durchgehend, den Leser die Gefühle der Protagonisten spüren zu lassen, ohne dass sie dabei bewertet oder Schuld zuweist. Dies lässt den Krimi unter die Haut gehen und macht nachdenklich und betroffen.

Obwohl dieses Buch unwahrscheinlich fesselnd und spannend ist und die Handlung rast, empfinde ich diesen Fall mit Judith Krieger und Manni Korzilius ein wenig ruhiger als die vorherigen. Vor allem Judith wirkt nicht mehr so gehetzt und kaputt wie in früheren Fällen, auch wenn sie mit ihrem Nikotinentzug kämpft. Beide raufen sich langsam zu einem Team zusammen, wobei sie zwar ihre typischen Eigenheiten beibehalten, sie aber gegenseitig anfangen zu respektieren und sich persönlich ein wenig annähern.

Wieder einmal hat mich Gisa Klönne überzeugt. Dieser Krimi ist überaus gelungen und sehr empfehlenswert und ich hoffe auf weitere Fälle dieser Ermittler aus Köln!