So viel zum Nachdenken

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carolaww Avatar

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Stefan Slupetzky hat das Genre der Erzählung hier einmal anders verwendet. In seinem Büchlein „Nichts als Gutes“ stellt er Grabreden vor, wovon man am Ende noch mehr lesen möchte, obwohl man überhaupt keinen Bezug zu den Verstorbenen hat und schon gar nicht ständig an den Tod erinnert werden möchte. Es sind kleine Lebensläufe, intim und voyeuristisch.
Das ist es, was Slupetzky augenzwinkernd und mit Vorliebe macht: Uns immer wieder erinnern, dass wir alle sterblich sind. In 15 Grabreden erscheinen 15 Menschen vor unserem geistigen Auge, die alle mehr oder weniger mit dem jeweiligen Grabredner verbunden sind. Es sind also 30 Schicksale, über die man auch noch nachdenkt, wenn schon der nächste Redner „auftritt“.
Anschließend stellt Slupetzky kurze Grabreden aus aller Welt vor, die nicht ganz ernst gemeint sind, aber die Kultur des Landes widerspiegeln. Da muss man sich jedes Wort auf der Zunge zergehen bzw. vor dem Auge nochmal erscheinen lassen. Slupetzky spielt mit Worten und schreckt auch vor schwarzem Humor oder bissiger Satire nicht zurück, als er einen Abgeordneten den Fall der unzähligen Toten der Flüchtlingswellen kommentieren lässt.
Humorvoll, aber trotzdem nachdenklich, ja sogar philosophisch und gewollt hoffnungsvoll endet die Zusammenstellung von Grabreden mit der „großen Null“, in der der Autor den Verstorbenen sogar selbst zu Wort kommen lässt.
Und wieder sollen wir mitdenken, wozu der Umgang mit dem Tod gut sein soll. Erstaunlich ist, welche vielfältigen Ideen der Autor hat: Da gesteht ein Redner intime Gefühle, die der Verstorbene vielleicht auch gern gehört hätte. Eine Liebe auf den ersten Blick stirbt durch die Rücksichtslosigkeit eines Autofahrers. Blutsbrüder wurden durch eine Frau auf eine verteufelte Probe gestellt. Aber auch leise Worte einer Witwe gehen ins Herz, weil sie so einfach und wahrhaftig sind. Ja, sogar kriminalistisch-spannend wird es. Der Leser soll selbst rätseln und zweifeln. Jede Grabrede ist anders aufgebaut, stilistisch und inhaltlich, fantasievoll und doch irgendwo realistisch.
Das versteht Stefan Slupetzky sehr gut, die Worte so zu setzen, dass man unterschiedliche Charaktere erkennt. Humor und Witz durchziehen die Grabreden, aber nicht, um die Toten bloßzustellen, sondern um zwischen den Zeilen zu erkennen, was die Gesellschaft zu Lebzeiten der Verstorbenen versäumt, falsch, aber auch richtig gemacht hat.
Das Wienerische kommt auch zur Geltung, aber einen Wunsch hat der Leser: Einen Nebensatz mit weil sollte auch Stefan Slupetzky (oder ein Grabredner) nicht zum Hauptsatz machen.
Auf jeden Fall kann man das Büchlein immer mal zur Hand nehmen, wenn man über den Tod und seinen Sinn nachdenken muss.