Berlin mal anders

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marapaya Avatar

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Berlin, 1976. Die Eltern freuen sich über ihre neuen tollen Jobs in einem Chemiewerk und ziehen des kurzen Arbeitsweges wegen von Prenzlauer Berg an den Rand Berlins. Der Sohn muss natürlich mit und reagiert wie alle 14jährigen mit Trotz und Desinteresse an der neuen Umgebung. Das neue Mietshaus an den Bahngleisen wird erschüttert von den vielen schweren Zügen, die Luft riecht nach Schwefel und ähnlich giftigem Zeugs, und die Temperatur ist immer drei Grad wärmer als im restlichen Berlin. Der Ich-Erzähler verweigert sich dem neuen Leben und fühlt sich doch vom merkwürdigen Wirtssohn Reiner Nilowsky irgendwie angezogen. Vielleicht sind es die umständlichen Weisheiten und Sprichwörter, mit denen ihm der 17jährige das Leben ungefragt erklärt. Oder die ungeschönten Erlebnisse mit dem alkoholkranken Vater, die zufällig mitbekommene Prügelattacke mit dem Feuerhaken oder die Freundschaft zu den Mozambiquanern. Nilowsky ist anders, ein bisschen gruselig und in jedem Fall interessant.
Es bleibt abzuwarten, welche Richtung der Roman einschlagen wird. Er wirkt auf den ersten Seiten seltsam zeitlos, kommt ohne Anpreisungen von typischen Ostgegenständen aus und richtet sein Hauptaugenmerk auf Nilowsky, betrachtet mit den Augen eines einsamen 14jährigen Jungen. Der Erzählton passt sich der Erzählerfigur an, ohne allzu kindlich, naiv oder altklug daher zu kommen. Schnell gibt man der eigenen Neugierde nach und will wissen, was es mit diesem merkwürdigen Typen auf sich hat. Doch lieber nur auf den Seiten des Buches und nicht in der eigenen Wirklichkeit.