Zu schrullig, zu gewollt

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lesestress Avatar

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„Nincshof ist das Dorf. Auf den ersten Blick, wie jedes Dorf, in keiner Weise besonders. Auf den zweiten, wie jedes Dorf, einzigartig.“

Johanna Sebauer, die im österreichischen Burgenland in der Nähe der ungarischen Grenze groß geworden ist, hat dieser Heimat ihren ersten Roman gewidmet – doch das titelgebende „Nincshof“ soll eigentlich vergessen werden. So jedenfalls der Plan dreier Männer, die sich „Oblivisten“ nennen und raus wollen aus der hektischen Zeit. Fernab von im Weg stehenden Tourist:innen, nervigen Rennradfahrer:innen sowie einfachen Durchreisenden – Fremde stören mehr als sie nützen und wenn niemand mehr vom Dorf weiß, könnten, laut der Konspirierenden, alle Nincshofer:innen in Ruhe und Freiheit leben. Aber wie kann Vergessen aktiv gestaltet werden? Ideen gibt es viele, aber auch zwei frisch Zugezogene – und eine stellt als Dokumentarfilmerin zu viele Fragen …

Die Grundidee zu diesem Debüt ist lustig und originell, eine „Easy-Read“-Sommerlektüre mit kauzig-liebenswerten Charakteren. Die Geschichte mäandert jedoch vor sich hin, viel Handlung gibt es nicht, dafür Wahrlosigkeit und Überzeichnung im Kontrast zu Passagen von Philosophie und Soziologie. Albernheiten werden von Schicksalsschlägen durchbrochen und unterfüttern die Figuren mit zu vielen Themen bei zu wenig Inhalt. Die größten Bauschmerzen hat mir aber die Argumentation zur Bewahrung der Eigenständigkeit jenseits des Staates bereitet. Obgleich ich sicher bin, dass es nicht Sebauers Ansinnen war, sehe ich hier eine bedenkliche Nähe zur Einstellung von Reichsbürger:innen – eine Haltung jenseits der Demokratie, über die mir all die Scherze im Buch nicht hinweghelfen konnten.

Puh, krasses Fazit, das dem „Summer-Read“-Vibe nicht gerecht wird und von mir auch keinesfalls vernichtend gemeint ist! Vielleicht gehöre ich in diesem Fall einfach zur Gruppe der übertrieben kritisch Lesenden. Ich bin daher auf den Diskurs zum Buch gespannt – lest rein und bildet euch eine Meinung! Und bei aller Kritik: stilistisch empfand ich beim Lesen einen kleinen Fredrik-Backman-Vibe – bloß österreichisch. Ich kann mir vorstellen, dass seine Fans hier vielleicht auf ihre Kosten kommen.