Ein Buch wie „Crêpe caramel au beurre salé“

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Ein weißer Sandstrand und ein liebevolles Zuhause mit paradiesischem Garten inmitten der malerischen Bretagne. Sommer voller Glück, Kinderlachen und Großeltern, die ihr Enkelkind von ganzem Herzen lieben - eine unbeschwertere Kindheit hätte Eleni sich eigentlich nicht wünschen können. Wären da nicht die dunklen Schatten der Erinnerung. Erinnerungen an das Unglück, das einst über sie hereinbrach und das alles zerstörte. Und wäre da nicht der viel zu frühe Tod ihrer großen Liebe Théo, welcher Eleni sich ganz in sich zurückziehen und kaum noch das Haus verlassen lässt. Bis eine Blume, mit geheimnisvoller Nachricht, Eleni zurück ins Leben finden und Hoffnung schöpfen lässt. In „Noch fünfzig Sommer mehr“ schreibt Avril Maury über Schicksalsschläge die es zu verarbeiten gilt, über Verluste die es zu ertragen gilt und über wunderschöne, wenn auch schmerzhafte Erinnerungen, die es liebevoll zu bewahren gilt. Und sie schreibt darüber wie schon die kleinsten Impulse, dem Menschen Kraft und Hoffnung schenken, sowie die Freude am Leben wiederfinden lassen.

Ich bin immernoch ganz ergriffen von diesem gefühlvoll geschriebenen Buch und dieser sehr zu Herzen gehenden Geschichte. Ich spüre immernoch den Wind in den Haaren, das Salz auf der Haut, den Sand zwischen den Zehen. Außerdem betrachte ich meinen Lavendel und die Ranunkel auf dem Balkon nun mit ganz anderen Augen und werde mir vermutlich bei Gelegenheit auch noch eine Anemone anschaffen. Denn Avril Maury schreibt nicht nur sehr poetisch, sondern auch äußerst bildhaft. Sie hat es geschafft, mir das tolle Setting der Bretagne spürbar vor Augen zu führen und mich den Duft der Landschaft, mit all den Blumen, riechen zu lassen. Ihr Schreibstil ist flüssig und dabei komplett unaufgeregt, was ich hier als absolut passend empfand. Gut gefallen hat mir auch, dass die Geschichte in verschiedenen Zeitebenen, in Form von Elenis Erinnerungen, erzählt wird. Einerseits hat dies ein gewisses Maß an Spannung erzeugt, andererseits hat es mich, der Hauptprotagonistin, näher gebracht. Grundsätzlich sind alle Protagonisten sehr liebevoll ausgearbeitet, so dass man sie sich lebhaft vorstellen kann. In anderen Rezensionen habe ich gelesen, die Hauptprotagonistin Eleni sei komisch, zickig und launisch, man hätte keinen Zugang zu ihr gefunden… nun, weder Depressionen, noch eine Angststörung, machen Menschen sonderlich zugänglich oder herausragend liebenswert. Diese Erkrankungen lassen einen Menschen für Andere schon mal komisch erscheinen. Das können wohl aber nur diejenigen nachvollziehen, die selbst schon einmal betroffen waren. Da mir leider ein vergleichbarer Schicksalsschlag widerfahren ist, kann ich nur sagen, dass die Autorin sowohl die Angst, also auch die zwiespältigen Gefühle, ganz wundervoll zu Papier gebracht hat und ich mich in ihren Beschreibungen definitiv wiederfinden konnte. Ich konnte mit Eleni mitfühlen und mit ihr gemeinsam, die ersten vorsichtigen Schritte, aus der - sicherlich schwer erklärbaren - Angst heraus machen. Wer sich von dem Buch also lediglich eine luftig-leicht-fröhliche Sommerlektüre verspricht, der ist definitiv falsch beraten.

Fazit: Ein wundervoll melancholisches, wie auch warmherziges Buch, mit ganz viel Tiefgang. Ein überaus berührendes Buch, das zumindest mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Einfach ein Buch wie Crêpe mit salziger Karamellsauce.