Millies Welt

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nadines_buecher Avatar

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Die Leseprobe mutet an wie "Die fabelhafte Welt der Amélie": Die siebenjährige Millie ist ein wissbegieriges, kreatives, sehr genau beobachtendes Mädchen. Sie macht sich die Welt erklärbar, wenn die Erwachsenen ihre Fragen nicht mehr beantworten können oder wollen. Durch den Tod ihres Hundes Rambo und der seltsamen Erklärungen ihrer Mutter zum Hundehimmel beobachtet Millie den Verwesungsprozess von Rambo. Als sie dann Zeugin eines Autounfalls wird, bei dem ein Mann ums Leben kommt, schaut sie sich die Leiche genau an, bis sie von verständnislosen Erwachsenen weggebracht wird. Danach beschließt Millie, ein Buch der toten Dinge zu führen. Leider wird die Nummer 28 ihrer Liste ihr eigener Vater sein. Ob Millie ihn vermisst, wird darin deutlich dass sie ihre Familie mit einem unsichtbaren Faden verbunden fühlt, ein Dreieck zwischen ihr, Mutter und Vater, das je nach Situation unterschiedliche Gestalten annehmen kann: ein Dinosaurier, wenn ihre Mutter sie anschreit, ein großes, klopfendes Herz, wenn ihr Vater sie neben sich zieht um mit ihr fernzusehen. Eines Tages lässt Millies Mutter sie im Einkaufszentrum zurück. Millie wartet, folgt dann aber dem Ruf ihrer Gummistiefel ebenso wie alle anderen Schuhe die an ihnen vorbeikommen, durch das Einkaufszentrum zu laufen, wo Millie auf ihre Weise Menschen und Dinge beobachtet und viele kleine Wunder entdeckt. Am Abend kehrt sie an den Platz zurück, an dem sie auf ihre Mutter warten sollte. Und so übernachtet Millie zum ersten Mal nicht in ihrem Bett, wacht morgens nicht in der Geborgenheit ihres Zimmers auf. Sie ist immer noch im Einkaufszentrum. Im Café trifft sie schließlich auf den 87-jährigen Karl, der ebenso allein gelassen scheint wie sie selbst. Er sammelt Bindestriche von Tastaturen, tippt unaufhörlich auf imaginären Tasten herum und nennt sich selbst "den Tasttipper". Die Bindestriche erinnern Millie an die Beerdigung einer Spinne, die sie nachts hoch in einem Baum vorgenommen hat, und an die unsichtbare Verbindung zwischen ihr und ihren Eltern, aber auch an die Endlichkeit.
Wunderbar gefühlvoll und liebevoll-detailliert wird beschrieben, wie Millie die Welt sieht und erlebt, welche Gedanken sich das Kind macht zu den Aussagen der Erwachsenen über den Himmel, die Hölle, in der dauernd Macarena getanzt wird, wofür man Falten benutzt und dass Kaffeedampf wundersame Gestalten annehmen kann. Scheinbar wird sie ihre Mutter nicht mehr wiederfinden? Wird sie in Karl einen Freund finden, der ihre Welt teilt? Wie wird ihr Leben weitergehen?
Ebenso zauberhaft wie die Beschreibungen ist das Cover des Buchs gestaltet, das an Sterntaler erinnert. Ein Hingucker, ebenso wie die Erzählung Lust aufs Weiterlesen macht.