Noir - ein Geist, der nicht weiß,wozu es Nagellackentferner gibt

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chrissili Avatar

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Nino Sorokin wächst bei seiner Schwester auf, nachdem seine Eltern bei einem Verkehrsunfall starben. Durch das Unglück hat er die Gabe bzw. den Fluch, den Tod eines jeden Menschen vorauszusehen. Auch der eigene Tod im Alter von 24 Jahren ist ihm seit dem bewusst.
Im vorliegenden Buch setzt Nino, laut rückseitiger Inhaltsangabe, nun alles daran sein Schicksal zu überlisten.

Die Gestaltung des Buches ist mir besonders aufgefallen. Der schlichte Schriftzug „Noir“ ist nicht zu verschnörkelt und erschlägt auch nicht durch bunte Farbenvielfalt. Der weißliche Hintergrund ist durchzogen von Rissen, die eine eingeschlagene Autoscheibe darstellen könnten. (Anlassbezogen vielleicht auf den erwähnten Autounfall?). Dieser Effekt ist durch die spürbare Unebenheit der Risse nochmals verstärkt. Die helle Vorderseite steht im Kontrast zur dunklen Rückseite, welche den Inhalt preisgibt. Im gesamten Spektrum, finde ich das Cover sehr ansprechend.
Man lernt Nino, nach Prolog I und II, kurz vor seinem 24. Geburtstag kennen. Er durchstreift einen Club, um im späteren Verlauf der Nacht an einer Massenzeremonie teilzunehmen. Hier lernt der Leser auch gleich den mysteriösen Araber Monsieur Samedis kennen, der eine beträchtliche Rolle in der Geschichte übernimmt. Durch die atmosphärische Beschreibung der Autorin übernimmt man schnell Ninos Skepsis mit der er der Zeremonie des Gläserrückens beiwohnt.
Bald darauf trifft man auch die nächsten Hauptcharaktere: die geisterhafte Noir, Ninos lesbische Schwester Katjuscha, Julia (die für mich eigentlich keinen großen Sinn erfüllte, außer als quietschende „Anheizerin“ zum Gläserrücken) und noch einige weitere Charaktere, die etwas blass zurückfallen.

Da wären wir auch schon bei meiner eigenen Meinung. Die Autorin versteht sich mit der Beschreibung des Gegenwärtigen. Sie baut durch frische Wortspiele eine wunderbare Atmosphäre auf. Jeder Satz ist beinahe ein Kunstwerk und wert genauestens gelesen zu werden. Doch leider zerbricht diese Hülle für mich, durch die blasse und manchmal nicht nachvollziehbare Handlung, die vor sich hindümpelt.
Der Ansatz zu einer spannenden Geschichte ist offensichtlich gegeben – Nino will seinen baldigen Tod verhindern. Doch seine Gabe, die ihn als Charakter so interessant machen sollte, geht beinahe unter. Ab und zu, gibt es zwar einige Textausschnitte in denen bei anderen Menschen die Todesursachen ergründet oder besser gesagt, ihre Lebensgeschichten kurz erzählt wird, aber diese Menschen sind auch genauso schnell wieder aus der Handlung verschwunden.
Nun gut - es soll ja in erster Linie um die Verhinderung des eigenen Todes gehen. Doch in der ersten Hälfte des Buches wird klar, dass Nino eigentlich nicht genau an seinem 24. Geburtstag stirbt, sondern irgendwann im 24. Lebensjahr. Diese Erkenntnis lässt Nino erst mal einige Tage als depressiver Trauerkloß in seinem Zimmer verweilen und mich, als Leser, die Erwartungshaltung abbauen.
Aber glücklicherweise offenbart ihm ein Glas auf einem Buchstabenbrett, das er noch weitere 14 Tage leben kann. Beseelt von neuer Lebensfreude verliebt Nino sich sofort in ein wortkarges Mädchen, das eigentlich nichts für ihn übrig hat. Jedoch in der zweiten Hälfte der Geschichte urplötzlich, im Hausflur des Bösewichts Samedi, mit Nino körperlich verkehrt.
Sex, Unterwelt-Drogenrausch und Gläserrücken werden das Hauptthema - Ninos baldiger Tod ist eigentlich nebensächlich, da es schlussendlich bloß noch um Noirs Rettung geht. Was bloß durch genügend Sex und den Konsum von STYX - der Unterweltdroge - gelingen soll. Nino könnte sich zwar irgendwie eine neue Seele einpflanzen lassen, aber da er die große Liebe getroffen hat, will er nun doch lieber sterben, als seine Gefühle zu verlieren. Auf den letzten Seiten des Buches ist er dann auf der Flucht, verfolgt von Monsieur Samedi und seinen Helfern. Doch die ganze Dramatik, entlässt den Leser in ein unzufrieden stellendes Ende.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich das Buch nicht recht überzeugen konnte. In „Noir“ wurden erfrischende Ideen aufgeworfen, aber viele von diesen Ideen endeten als offene Fragen oder wurden nicht weiter vertieft. Trotzdem hat Frau Nuyen einen unnachahmlichen Schreibstil hier festgesetzt, der mich weiterlesen und wie unter einem Rausch vergessen ließ, das Buch aus der Hand zu legen.