Gefährlicher Aufbruch in die Zukunft

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heike lohr Avatar

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Die in London lebende Katherine Blake schreibt einen Roman der 50er Jahres des letzten Jahrhunderts, der seinen Ausgang in einer Versammlung junger Autoren am Piccadilly Circus nahm.
Entstanden ist ein mitreißender Roman, der viele ethische Graustellen ausleuchtet, auf eine Art von schwarzem Humor. Es geht dabei auch um die Kräuterkünste der angehenden Visagistin aus Großbritannien, die durch allerlei Winkelzüge und eigentlich Kleinkriminalität sich in Amerika durchsetzt.
Sie begeht wegen ihrer Schwester und des Furchtbaren, was passiert ist, zwei Morde, einen eher versehentlich und den anderen eher wissentlich. Den zweiten aufgrund ihrer botanischen Kenntnisse, denn ihre Mutter und sie haben Kräuter und Moos gesammelt. Aus dem Moos wurde auch ein Rasierwasser für den stets betrunkenen und oft gewaltbereiten Vater erzeugt.
Packend geschildert aus der Sicht der Hauptfigur Loretta Darling, ursprünglich hieß sie anders und als sie heiratete Goddard.
Sie kam aus kleinen Verhältnissen und fand in Hollywood, wohin sie sich durchschlug, eine kleine Wohnung mit Kakerlaken neben einem Bordell geführt von der hilfsbereiten Primerose.
Von den Anfängen in einem kleinen Imbiss Gasthaus bis hin zur ersten Anstellung als Visagistin, bis hin zur Anstellung bei dem berühmten Visagisten Petrac hat sie viel Kühnheit und Durchhaltevermögen gebraucht.
In gewisser Weise erinnert ihre Grundhaltung an Francoise Sagans "Wächter des Herzens", der die Frau, die er liebte, von lästigen Zeitgenossen befreite --- allerdings durch Mord. Hedda Hopper kam auch in Sagans Roman vor.
Bekannte Schauspieler kommen in diesem Roman ebenso vor wie unbekannte, wahrscheinlich erfundene.
Das Zeitkolorit und die Charaktere sind so stimmig, dass ich das Buch in ein paar Stunden ausgelesen habe, ohne es aus der Hand zu legen.
Faszinierend und voller Überraschungen - obwohl nach allen Regeln der Schriftstellerei komponiert - zählt es zur gehobenen Belletristik mit einem Touch zu großen Literatur. Doch das entscheiden die Experten.
Das Buch bietet wie gesagt alles, was ich mir wünschen kann: von abenteuerlichen Strategien zur Lebens- und Vergangenheitsbewältigung, Einblick in die 50er in Hollywood und die Filmszene, menschliche Charaktere mit ihren Abgründen inklusive Vergewaltigung und natürlich auch Liebesgeschichten. Verdächtigungen (begründete und aus der Luft gegriffene) machen das Buch fast zu einem Krimi.
Doch die moralische Verfehlungen und die Verstöße gegen Leib und Leben sind einer anderen Moral geschuldet. Sie verhindern weitere Übergriffe, die unter das Me too fallen.
Kurzum absolut lesenswert, weil das Buch völlig in sich schlüssig und authentisch ist. Fast hätte ich geschrieben: wie das Leben selbst.