Nicht jedermanns Liebling

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jackolino Avatar

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„Not your darling“ ist der passende Titel für dieses Buch. Die Protagonistin will nicht jedermanns Liebling sein, ganz im Gegenteil. Dennoch wählt sie genau diesen Namen als ihren Nachnamen aus. Es war die häufigste oberflächliche Anrede, wenn Stars sich in der Maske nett geben wollten, ihren richtigen Namen aber gar nicht kannten.

Die 20jährige Margret träumt davon, Maskenbildnerin in Hollywood zu werden. Und so entflieht sie dem tristen England der frühen 50er Jahre. Tatsächlich gibt sie sich als die Gattin eines Amerikaners aus, der heiß begehrte Schmuggelware aus den USA in England illegal auf den Markt bringt. Ihn überzeugt sie von einer Fahrt zurück in seine Heimat Kalifornien und dort trennt sie sich von ihm. Aber immerhin hat ihr diese Episode ihren neuen Namen eingebracht: nach der verstorbenen Frau des Amerikaners nennt sie sich Loretta.

Ihr geklautes Geld reicht nicht lange und so nimmt sie einen ersten Job als Kellnerin an. Als sie Raphael kennenlernt, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Aber er ist nicht das, was sie zu Anfang in ihm sah. In ihrer Hochzeitsnacht entführt er sie zu einer Orgie eines aufstrebenden Schauspielers, der versucht, sie zu vergewaltigen. Aber immerhin hat ihr diese Ehe eine Aufenthaltserlaubnis eingebracht. Ein ihr völlig unbekannter Schriftsteller Scott Elliot rettet sie aus der prekären Situation. Damit ist die Ehe schon nach einem Tag zu Ende und Loretta reichlich desillusioniert.

Loretta hatte zwischenzeitlich auf ihr Ziel hingearbeitet und noch eine Aufgabe in der Maske einer Modellagentur angenommen.
Dort erfährt sie eines Tages von der Maskenbilderlegende Hollywoods, einem Polen, Alecs Petrás, der sein eigenes Imperium aufgebaut hat. Laut seiner Legende ist er ein polnischer Prinz, der nach dem 1. Weltkrieg verarmte und in die Staaten auswandern musste. Sie hängt sich so lange an seine Fersen, bis man sie endlich bemerkt. Tatsächlich stellt er sie an, er findet sie hat Chuzpe, und sie lernt eine ganze Menge von ihm. Sie hat ihr Ziel erreicht, wären da nicht die bösen Erinnerungen an die versuchte Vergewaltigung und das, was sie in England zurückgelassen hat. Aber das erfährt der Leser erst ganz am Ende des Buches.

Loretta ist eine taffe Person, sie verliert ihr Ziel nie aus den Augen, aber sie vergisst auch nie. Hollywoods Männer müssen sich vor ihr in Acht nehmen, sie sinnt auf Rache und bekommt sie auch.

Als Leserin hatte ich schon ein gewisses Verständnis für Loretta. Vor Gericht wäre sie in dieser Zeit niemals zu ihrem Recht gekommen. Der Mann, der sie vergewaltigen wollte, wäre freigesprochen worden und ihre Karriere wäre zu Ende gewesen. Erst vor wenigen Jahren hat die „Me too Bewegung“ hier einiges ins Laufen gebracht. Und so musste, als das Gericht den Frauen noch nicht zur Gerechtigkeit verhalf, so manche Frau sich selbst schützen oder zur Wehr setzen. Zumindest geht sie dabei so geschickt vor, dass sie nie in Verdacht gerät.

Davon abgesehen gefielen mir die ausführlichen Beschreibungen, wie ein Maskenbildner eine Person in eine ganz andere verwandeln kann und wie ein Filmdreh hinter den Kulissen abläuft. Man lernte die Traumfabrik Hollywood von einer ganz anderen Seite kennen und bekam eine Ahnung davon, dass sie auch zum Albtraum werden konnte.

Der Schreibstil ist angenehm und flüssig und die Mischung aus Glamour, Spannung und Selbstbestimmung der Frau hat mir gefallen.