Außergewöhnlich.
Ansel Packer wird in 12 Stunden sterben. Denn Ansel ist ein Mörder und wartet auf seine Hinrichtung. Wieso? Das erfahren wir nicht von Ansel selbst, dessen letzte 12 Stunden weniger von Reue, als vielmehr von Hoffnung und Rechtfertigung gespickt sind, sondern aus der Sicht mehrerer Frauen, die in Ansels Leben auf die eine oder andere Art eine Rolle gespielt haben. Und doch geht es gar nicht hauptsächlich um Ansel und auch nicht direkt um die Lösung des Falles, um die investigative Arbeit oder das Urteil. Vor allem geht es um die Rolle, die Ansel im Leben jeder dieser Frauen gespielt hat und den Einfluss, die diese Begegnungen hatten. Da ist seine Mutter Lavender, die eine Entscheidung treffen musste, die sich keine Mutter vorstellen will. Da ist Saffy, Ermittlerin der Polizei, die Ansel schon seit ihrer Kindheit kennt. Und da ist Hazel, deren Zwillingsschwester Ansels zweifelhaftem Charm erlegen ist.
Was mir besonders gut gefällt ist Danya Kukafkas Herangehensweise an die Geschichte. Wir haben ein Verbrechen, aber keinen klassischen Ermittler, keine klassische Polizeiarbeit. Wir haben „nur“ Ansels letzten 12 Stunden, beschrieben in der zweiten Person Singular, sowie die Geschichten der Frauen über mehrere Jahre, beschrieben in der dritten Person Singular. Die unterschiedlichen, sich abwechselnden Perspektiven haben meinen Lesefluss nicht gestört und die Spannung sogar meiner Meinung nach noch gesteigert. Die Geschichte ist ausnahmslos fesselnd, man möchte wissen wie es weiter geht, wie die Dinge zusammenhängen. Auch das Ende hat mich überrascht.
Als (ungewöhnlichen) Thriller würde ich „Notizen zu einer Hinrichtung“ aber nicht bezeichnen, dafür mangelt es mir an durchgehendem Nervenkitzel. Es wurde in einer anderen Rezension als „psychologisches Drama“ beschrieben, was ich als absolut treffend empfinde. Doch der Roman ist mehr als ein psychologisches Drama, er ist gesellschaftskritisch, er wirft Fragen auf, regt zum Nachdenken an, zeigt uns eine andere Perspektive. Sollte man unbedingt lesen.