Toller Start, schwierige Umsetzung

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mary-sophie Avatar

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Handlung
Berlin, 1920
Robert erhält ein sehr lukratives Jobangebot und er sieht darin auch die Möglichkeit, endlich einem weiteren Ziel nachzugehen. Er macht seiner großen Liebe Luise einen Heiratsantrag, den diese glücklich annimmt. Innerlich jedoch trauert die junge Frau noch immer um ihre Jugendliebe Johannes, der seit dem Großen Krieg verschollen ist. Auch für Robert war diese Nachricht damals nicht einfach, war doch Johannes sein bester Freund. Und schließlich taucht genau dieser am Tag der Hochzeit wieder auf. Kriegsversehrt, ohne Hoffnung und ohne finanzielle Mittel...

Meinung
Ganz ehrlich: Das Cover gefällt mir nicht. Ich empfinde es als wenig ansprechend, der untere Teil könnte noch als ganz nett gelten, die obere Hälfte hingegen mag ich absolut nicht. Ich finde die Farben sehr abweisend und kalt, ich mag die Silhouette der Person nicht, sie verwirrt mich und sie hätte es für meinen Geschmack nicht benötigt. In der Mitte des Bildes findet sich der Titel, sowie der Name der Autorin. Ich finde, dass dieser Abschnitt irgendwie fehl am Platze wirkt und diese Zeilen ein wenig verloren gehen. Einzig den unteren Part finde ich passend und schön gestaltet, mit der Abbildung des Bahnhofs wird auf die Geschichte Bezug genommen und anhand des verblassten Eindrucks passt diese gut zur Handlungszeit. Ansonsten trifft die Gestaltung des Covers absolut nicht meinen Geschmack...

Mir ist das Buch bereits in der Verlagsvorschau aufgrund der interessant klingenden Inhaltsangabe aufgefallen. Und weil ich von Ulrike Schweikert bereits ein paar Bücher gelesen habe, welche mir fast durchweg gefallen haben, wanderte das Buch auf meine Wunschliste. Als es im September bei Vorablesen vorgestellt wurde, war mein Interesse direkt geweckt und ich habe einen Blick auf die Leseprobe geworfen, die mich überzeugen konnte und dazu geführt hat, dass ich einen Leseeindruck verfasst habe und mich letztendlich tatsächlich über ein Exemplar des Romans freuen konnte. Dafür ein herzliches Dankeschön an Vorablesen, sowie den Rowohlt Verlag!

Der Prolog hat mir gut gefallen. Er gibt einen kleinen Blick auf die Familien und das Kennenlernen von Robert, Luise und Johannes und er ist für mich irgendwie besonders. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass mir so ein Buchbeginn noch nie wirklich begegnet ist und daher empfand ich diesen als faszinierend, spannend und sehr interessant. Danach wandert die Handlung vom Jahr 1882 ins Jahr 1920, wo die Haupthandlung beginnt und sich anschließend bis ins Jahr 1933 erstreckt, wo schließlich der Epilog spielt. Anhand dessen kann man einen kleinen Blick in die Zukunft der Protagonisten werfen und man erhält dadurch ein bisschen Material zum nachdenken und spekulieren erhält, wie die Saga wohl weitergehen könnte. Obwohl die Jahreszahl vor einigen Kapiteln angegeben wird, finde ich doch manchmal, dass man als Leser zeitlich etwas verloren ist. Nicht immer ging für mich klar deutlich heraus, zu welcher Zeit die Ereignisse spielen. Dazu hätte ich mir gern mehrere Angaben gewünscht, um ein volles und stimmiges Bild zu erhalten und um der Handlung leichter folgen zu können.

Die Sprache hat mir eigentlich gut gefallen. Sie befindet sich auf einem angenehmen Niveau, ist gut lesbar und gibt häufig lebendige Einblicke in die Situationen. Ich bin mit dem Lesen flüssig vorangekommen, konnte mir viele Szenen gut vorstellen und finde, dass besonders die Beschreibung der Settings sehr gelungen ist. Außerdem empfand ich jene Abschnitte, die kleine Einblicke in die Vergangenheit der drei Freunde geben, sehr interessant und sie boten eine gute Abwechslung.
Allerdings hat mich die Sprache nicht vollkommen überzeugen können. Immer wieder gibt es einige Stellen, die sich für mich ganz schön strecken und bei denen ich finde, dass die Aussage zu sehr umschrieben und ausgedehnt wird. Vieles hätte für meinen Geschmack kürzer und damit bündiger ausfallen können und dadurch hätten einige Längen vermieden werden können. Eine kompaktere und nicht immer so ausschweifende Erzählweise hätte mir gut gefallen.
Ich finde, dass häufig eine Handlung stattfindet, die nicht sonderlich aufregend und spannungsreich ist. Nur selten gibt es Momente, die mich überraschen konnten oder die der gesamten Geschichte eine neue Wendung gegeben haben. Oft verläuft die Story sehr geradlinig und damit nicht überraschend...

Gebündelt werden historische Ereignisse und Vorgänge beschrieben. Diese werden meist in Gespräche eingebunden, in denen der Leser allerhand Informationen darüber sammelt, wie die politische Lage vor allem in Deutschland aussah. Im Grunde mag ich es gern, wie viele Fakten eingebunden wurden und wie geschickt sie in die Handlung eingefügt wurden. Allerdings finde ich, dass diese meist ein wenig zu geballt vorhanden sind. Teilweise liest man seitenlang nichts darüber, dann gibt es wieder Abschnitte, in denen man innerhalb kurzer Zeit sehr viele Fakten erfährt. Ich finde die Informationsfülle an sich gut, allerdings hätten sie gern verteilter auftreten können.
Ich dachte ursprünglich, dass die Planung der ersten U-Bahn-Linie irgendwie ein wiederkehrendes Thema im Roman sein wird und man darüber einiges erfährt. Nicht nur über die Architektur, sondern auch die Erbauung und die Meinungen vonseiten der Bevölkerung. Und anfangs war das auch ein wenig der Fall, irgendwann jedoch wurde diese Thematik ziemlich fallengelassen, es gab nur noch hin und wieder eine Andeutung dessen und das war es. Ich finde es schade, dass darauf nicht weiter eingegangen wurde, es hätte dem Roman einen interessanten Hintergrund gegeben und ich finde, dass die Karriere von Robert nicht so stark auf dem Klappentext hätte erwähnt werden müssen. Dadurch wurden bei mir ein wenig andere Erwartungen geschürt...
Ich finde, dass an einigen Stellen das Lebensgefühl der 1920er Jahre hervorragend eingefangen wurde. Es ist deutlich herausgekommen, an was die Menschen interessiert waren, was gesellschaftlich oder auf kultureller Ebene fasziniert oder schockiert hat. Dadurch wirkt die Handlungszeit auch direkt lebendiger und ich mag es, wie jene Szenen direkt authentischer wirken.

Als Erzählinstanz wurde ein allwissender Erzähler genutzt, der im Verlauf der Handlung verschiedene Perspektiven einnimmt. Vor allem aus der Sichtweise von Luise, Robert und Johannes wurden die jeweiligen Kapitel beschrieben, allerdings gibt es auch ein paar Szenen, die aus der Sicht von Ella, einer jungen Dame, die mit den drei Freunden bekannt ist, dargestellt wurden. Auf diese Weise erhält man viele abwechslungsreiche Einblicke auf die einzelnen Figuren und es ist möglich, sie näher kennenzulernen und sich von ihnen einen Eindruck zu verschaffen. Dadurch wirkt die Handlung automatisch vielfältiger und es wird ein wenig vorgesorgt, dass Längen schwerer entstehen können, wenngleich dies nicht vollkommen gelungen ist.

Das Setting wurde ansprechend gestaltet. Durchweg jeden Ort konnte ich mir vorstellen und ich mag es, wie unterschiedliche diese ausfallen. Man lernt verschiedene Ecken Berlins kennen und ich finde es gut, wie die Stimmungen häufig eingefangen wurden. Das lässt die Stadt sehr lebendig wirken und es ist interessant, die verschiedenen Orte durch die Augen der Figuren kennenzulernen.
Schön empfand ich es, wie das Haus, indem die drei Freunde aufgewachsen sind, immer wieder mal eine kleine Rolle spielt. Das war ein schönes, wiederkehrendes Motiv, welches für meinen Geschmack gern noch öfter hätte auftauchen können!

Wenn ich ehrlich sein muss: Mit zunehmender Handlung empfand ich die Charaktere als immer langweiliger. Sie haben mich nur sehr sehr selten überraschen können, ihre Wesen sind ohne besonderen Merkmale, die bei mir Sympathien oder Abneigung hervorrufen könnten. Im Grunde war es mir irgendwie ziemlich egal, was mit den Figuren im Folgenden passieren wird, sie haben es an keiner Stelle geschafft, sich mit einer besonderen Aussage oder Handlung hervorzuheben, was ich sehr schade finde. Dabei wurde anfangs eigentlich einiges dafür gegeben, dass ein interessanter erster Eindruck entsteht und ich war daraufhin mächtig gespannt darauf, wie eine Entwicklung aussehen könnte. Diese fand leider nur sehr selten statt und konnte mich nicht recht überzeugen.
Lediglich Ilse, die Schwester von Johannes, hat mir richtig gut gefallen. Sie hat zu jedem Thema eine Meinung, die sie offen ausspricht, sie bringt Schwung in die Szenen und ich mag ihre aufgeschlossene und einnehmende Persönlichkeit sehr gern!

Fazit
Ich hatte zugegebenermaßen recht große Erwartungen an den Roman. Und aufgrund der gelungenen und interessanten Leseprobe war ich sehr zuversichtlich, dass diese erfüllt werden. Und doch sitze ich nun hier und bin nicht so richtig angetan von dem Buch. Immer wieder gab es kleine Aspekte und Darstellungen, die ich nicht rund, ausgereift und perfekt finde. Diese kamen sowohl bei den Figuren, als auch bei den historischen Hintergründen vor und dadurch entstanden leider Längen, die letztendlich meinen Eindruck verstärken, dass es eine schöne Geschichte hätte sein können, die Umsetzung aber nicht meinen Geschmack trifft. Sehr schade...