Gefühlschaos nach Schema F: Wochenplan zur Selbstfindung

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Wie ein laues Bad, in das man langsam eintaucht, eröffnet Michaela Wiebusch ihren Roman zur Selbsterneuerung. Die ersten Kapitel folgen Protagonistin Lena, die nach einer Trennung in einer Identitätskrise steckt – ein Zustand, den viele kennen mögen, der hier jedoch merkwürdig flach präsentiert wird.

Der Einstieg mit dem Bukowski-Zitat "Kannst du dich noch erinnern, wer du warst, bevor dir die Welt gesagt hat, wer du sein sollst?" ist tatsächlich gelungen und deutet auf eine tiefere literarische Ebene hin, die das Potential hat, über konventionelle Selbstfindungsgeschichten hinauszugehen.

Was mich dennoch störte, ist die sehr vorhersehbare Prämisse: Eine Frau um die 50, die ihr Selbstwertgefühl von Beziehungen abhängig macht und nun, nach der x-ten Trennung, endlich "sich selbst finden" soll. Das Konzept einer "Agentur für Selbstwert" wirkt dabei konstruiert und bemüht originell.

Der Schreibstil schwankt zwischen tiefgründig sein wollenden Metaphern ("Mein Segelboot dümpelt vor sich hin und ich frage mich, wohin die Reise überhaupt gehen soll") und klischeehaften Dialogen. Besonders Karlas Rolle als weise Freundin mit fertigen Lebensweisheiten wirkt nicht organisch, sondern wie ein didaktisches Vehikel: "Wir können nicht darauf hoffen, glücklich zu werden, wenn wir unbewusst davon überzeugt sind, unglücklich zu sein."

Die nach Wochentagen strukturierte Reise könnte, wenn sie gut entwickelt wird, einen interessanten Rahmen für Lenas Transformation bieten. Der Kapitelaufbau lässt erahnen, dass jeder Tag einen anderen Aspekt des Selbstwertes beleuchten wird, was durchaus spannend sein könnte – leider dominieren jedoch die klischeehaften Momente.

Was mich zudem irritierte: Die Hauptfigur Lena ist charakterlich schwach gezeichnet. Ihre Passivität wird nicht als komplexes Persönlichkeitsmerkmal entwickelt, sondern scheint vor allem als Ausgangspunkt für die spätere "Transformation" zu dienen. Ihre Gedanken kreisen permanent um ihren Ex-Partner, ohne dass man einen tieferen Einblick in ihr Wesen bekommt.

Die psychologischen Erkenntnisse, die vermittelt werden, sind kaum originell – sie lesen sich wie eine Zusammenfassung populärer Selbsthilfeliteratur der letzten zwei Jahrzehnte. Der Gedanke selbsterfüllender Prophezeiungen und der Komfortzone ist weder neu noch besonders tiefgründig dargestellt.

Gefallen könnte dieser Roman vermutlich Leserinnen, die sich in einer ähnlichen Lebensphase wie die Protagonistin befinden und einen zugänglichen, nicht zu komplexen literarischen Begleiter für eigene Umbruchsituationen suchen. Die leicht verdaulichen psychologischen Konzepte und die alltägliche Sprache machen das Buch trotz seiner Schwächen zu einer möglicherweise tröstlichen Lektüre für jene, die sich in Lenas Situation wiedererkennen.