Poetische Liebesgeschichte

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marionhh Avatar

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Nach dem überraschenden und viel zu frühen Tod ihrer geliebten Mutter fällt Lilly in ein tiefes schwarzes Loch. Sie kapselt sich ab und will sich sogar von einer Brücke stürzen - eine Tat, die im letzten Moment von einem jungen Mann namens Jonas verhindert wird. Lilly ist nicht so abwesend, dass sie nicht hört, wie der Fremde sie ständig Lene nennt. Jonas kann verhindern, dass Lilly sich umbringt und er spielt fortan eine immer größere Rolle in ihrem Leben. Langsam findet sie in ihr Leben zurück, spürt zwar noch den Verlust und trauert, aber gewinnt auch zunehmend ihre Lebenslust wieder. Lilly verliebt sich Jonas und sie spürt, dass er anders ist als andere Männer und dass es da eine Verbindung zu ihrer Vergangenheit geben muss...

Ein wunderschönes, magisches und zu Herzen gehendes Buch über die Liebe, die unerfüllte, die Mutter-/Tochter- und die erotische Liebe sowie über Trauer und wie man mit ihr umgeht. Im perspektivischen Wechsel erzählt die Autorin das Treffen zwischen Lilly und Jonas. Jonas trifft Lilly in ihrer schwersten Stunde und hält sie vom schlimmsten ab. Fortan bestimmt ihr beider Zusammensein sowohl ihr als auch sein Leben, und obwohl er es nicht darf, offenbart er ihr das Geheimnis seiner Existenz. Einfühlsam, fast schon poetisch und gespickt mit viel Lyrik erzählt die Autorin Jonas' und Lillys Geschichte, die bis in die Vergangenheit hinein reicht und Krieg, Tod und die Ewigkeit überdauert hat. Die Geschichte lädt zum Träumen und Abtauchen ein, ist einerseits realistisch, was Lillys Leben als moderne junge Frau angeht, andererseits aber auch sehr magisch und fantasievoll. Gerade die Lilly-Kommentare sind oft auch humorvoll und machen den Charakter in all seinen Facetten authentisch. Jonas hingegen ist ganz eindeutig nicht von dieser Welt, wird aber immer menschlicher, je mehr er in Lillys Welt eintaucht. Er entwickelt eigene Gefühle, und seinen Wandlungsprozess zu beobachten ist sehr spannend. Dass die Autorin mit dem Buch den frühen Tod ihrer eigenen Mutter verarbeiten wollte, kann ich gut nachvollziehen, wünschen wir uns denn nicht alle einen "Engel" an unser Seite, der uns in schwierigen Situationen beisteht? Oder einfach einen Menschen, der bedingungslos in allen Lebenslagen zu uns hält und uns liebt?

Nicht nur der flüssige Schreibstil fesselt einen sofort, die Thema und die Charaktere tun ihr Übriges, dass man wissen will, wie es weitergeht. Der Schluss ist denn auch nicht gänzlich überraschend, darum geht es aber auch nicht. Sowohl Lilly als auch Jonas wandeln sich im Laufe des Buches, Lilly wird wieder zur lebenslustigen starken Persönlichkeit, die ihr Selbstmitleid zugunsten von Empathie mit anderen aufgibt und sich wieder ins Leben stürzt und auch die Trauer ihrer Freunde und ihrer Familie akzeptieren kann. Jonas ist oft zwiegespalten, ob er das Richtige tut, er will auf keinen Fall die Fehler aus der Vergangenheit wiederholen. Aber die Seelenverwandtschaft der beiden lässt sich nicht leugnen, und so finden sie schließlich zueinander. Und damit wiederholt sich die Liebesgeschichte aus alter Zeit und findet in der Neuzeit ihre Vollendung.

Die sehr häufigen Einschübe der Gedichte von Ringelnatz fand ich an einigen Stellen äußerst passend, aber am Ende dann aber etwas zu viel und im Falle von Lene, der eigentlich ungebildeten Bauerntochter, auch etwas unglaubwürdig. Die Geschichte um Lene und Paul tritt aber in meinen Augen sowieso im Vergleich zu Jonas' und Lillys Geschichte in den Hintergrund, überhaupt sind diese beiden als Charaktere so stark, dass alle anderen zu Randfiguren werden. Dafür konzentriert man sich aber sehr auf diese beiden und identifiziert sich sehr stark mit ihnen und ihrer Geschichte.

Fazit: Ein schönes "traumhaftes" Buch, das einen auf ungewöhnliche Weise einiges über Trauerarbeit lehrt und darüber, wie man mit Schicksalsschlägen umgeht. Das Cover passt sehr gut zur Thematik und führt den Leser gleich auf den richtigen Weg. Wer mehr in dieser Art lesen möchte, der halte sich an den kleinen aber feinen FeuerWerke Verlag, der sich dem Genre anscheinend so ein bisschen verschrieben hat. Bei der Autorin jedenfalls lohnt es sich sie im Auge zu behalten!