Ursache und Wirkung

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buecherfan.wit Avatar

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Christos Tsiolkas´ Roman "Nur eine Ohrfeige" spielt in Perth/Australien. Hector, ein dreiundvierzigjähriger Grieche, ist mit der Inderin Aisha verheiratet und hat zwei Kinder, Melissa und Adam. Er liebt seine Frau, hat aber offensichtliche auch eine Affaire mit einer jungen Frau namens Connie, die in einer Tierarztpraxis arbeitet und die er heimlich trifft. Zu Beginn des Romans trifft das Ehepaar Vorbereitungen zur abendlichen Grillparty, zu der eine Reihe von Verwandten und Freunden eingeladen sind, u.a. Hectors Eltern, seine Schwester mit ihren Kindern sowie Bilal (ehemals Terry), Hectors bester Freund seit  der gemeinsamen Schulzeit.

Bis zum Ende der Leseprobe ist die titelgebende Ohrfeige noch nicht ausgeteilt worden, aber es zeigen sich schon überall Risse in der Fassade, mehr oder weniger offene Spannungen unter den Erwachsenen, zwischen den Partnern, zwischen Schwiegermutter Koula und Schwiegertochter Aisha sowie Streit unter den Kindern und zwischen Kindern und Erwachsenen. Auch ohne Cousin Harrys im Klappentext angekündigte Ohrfeige rechnet der Leser schon jetzt nicht mehr mit einem harmonischen Fest. Einige Äußerungen Koulas über Australier, Aborigines und ihre Einstellung zu ihrer indischen Schwiegertochter sind offen rassistisch. Dann ist da noch das verzogene Kind Hugo - späterer Empfänger der Ohrfeige -, mit dem es auch für Hector und Aisha eine Vorgeschichte gibt.

Der Verlag kündigt einen großen Gesellschaftsroman an und zitiert die Los Angeles Times mit dem Hinweis "Tom Wolfe trifft auf Philip Roth".  Das mag wohl sein, obwohl Philip Roth meist schmale Bändchen von 200 Seiten abliefert, während Tsiolkas mit seinen 510 Seiten  sichtlich zu einer gewissen epischen Breite neigt. Schon in der Leseprobe holt er sehr weit aus, egal ob es nun um Hectors anfängliche Reflexionen über Fürze, Pinkeln und Rülpsen geht oder um seine bislang vergeblichen Versuche, sich das Rauchen abzugewöhnen. Das muss nicht schlecht sein, aber der Leser braucht einen langen Atem für die angekündigte  achtfache Erzählperspektive und die Personenvielfalt. Ich finde diesen Auftakt interessant genug, um mich auf die Lektüre einzulassen und erinnere mich dabei an andere große Australienromane, die ich gelesen habe, zuletzt Robert Drewe, The Shark Net.