Schuld und Sühne

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sago Avatar

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Ich muss es zugeben, gegen dieses Buch hatte ich wirklich Vorurteile. Da der Vorgängerroman ein enormer Bestseller gewesen sein soll, habe ich es automatisch in die flache Ecke eingeordnet. Und wurde angenehm überrascht. Die Idee mit den Versöhnungssteinen, die eine Art Kettenbrief bilden, finde ich schon mal originell. Schuld und Verzeihen bilden zudem eine Problematik, die mich immer wieder selbst beschäftigt. Die Story um die Fersehmoderatorin Hannah, die von einer früheren Mitschülerin die Versöhnungssteine zugeschickt bekommt, würde ich wirklich gern weiter verfolgen. Obwohl sie der Frau, die sie als Kind so sehr gemobbt hat, dass es sogar ihre Familie zerstört haben soll, in Wahrheit nicht verziehen hat, beschließt sie, die Versöhnungssteine als Basis für eine neue Fernsehshow zu benutzen. Ungereimt fand ich nur Folgendes: Man soll ja nicht nur dem Absender einen Stein zurücksenden, falls man ihm verzeiht, sondern auch selbst einen Stein an eine Person senden, die man verletzt hat. Hannah wird vorgeschlagen, diese letztere Person könne doch nur ihre Mutter sein. Dabei soll vielmehr die Mutter Hannah verletzt haben, nicht umgekehrt. Ja was denn nun? Vielleicht ist das aber gar kein Widerspruch, falls sich herausstellt, dass beide Seiten hier ihren Anteil hatten.
Und ich selbst? Zwei weise Sprüche, die ich in letzter Zeit gelesen habe, haben mir sehr zu denken gegeben. Zum einen: Rachegedanken zu hegen, ist wie Gift zu trinken und zu erwarten, dass es den anderen umbringt. Und zum zweiten: Verurteile die Taten, aber nicht den Täter. Ich denke seitdem immer wieder darüber nach. Ich selbst habe mich schon als Kind bemüht, nach dem Motto zu leben „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinem anderen zu.“ Ich hätte daher wirklich Mühe, jemandem zu finden, der mit von mir übersanden Versöhnungssteinen überhaupt etwas anfangen könnte. Stattdessen habe ich sogar zwei Situationen in meinem Leben, wo ich nach wie vor nicht verzeihen kann, weil sie einfach regelrechte Ausnahmezustände für mich waren. Bei der einen verschwand vor vielen Jahren unerwartet mein damaliger Verlobter ohne Vorwarnung und ließ nur einen Brief zurück. Am Tag davor hatten wir noch Grundstücke für einen Hausbau besichtigt! Die zweite Situation ereignete sich im letzten Jahr, als ich selbst sehr krank war und gleichzeitig einen Todesfall zu verkraften hatte. Meine damalige beste Freundin verbündete sich genau dann mit einer Frau gegen mich, die sie selbst eigentlich wegen deren rücksichtslosen Charakter immer nur kritisiert hatte.
Man merkt es schon an dem jeweils „damaligen“: Zu beiden Personen habe ich jeden Kontakt abgebrochen. Weil sich sowohl mein Ex-Verlobter als auch meine frühere engste Freundin auf eine Weise verhalten haben, wie ich es nicht mal gegenüber Feinden täte (die ich meines Wissens gar nicht habe). Solche Menschen möchte ich in meinem Leben nicht haben. Ob ich ihnen trotzdem irgendwann verzeihen kann? Eigentlich heißt es ja, verzeihen bedeute nur, das Geschehene zu akzeptieren, nicht das Verhalten gutzuheißen. Akzeptiert habe ich es durchaus. Aber gleichzeitig mein Vertrauen in andere verloren…