Psycho!Logisch?

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daniliesing Avatar

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Die Autorin, Hitomi Kanehara, beschreibt unglaublich offen und direkt die Gedanken und Gefühle einer jungen japanischen Frau. Rins Geschichte ist gleichermaßen verstörend und interessant! Sie wird geplagt von Zwängen, Ängsten, überbordender Eifersucht und Unsicherheit. Ständig ist sie mit sich selbst uneins und kann selten klare Entscheidungen treffen, zu denen sie wirklich steht. Ein Auf und Ab von Gefühlen ist bei ihr Normalzustand. Schnell merkt man, dass etwas mit Rin ganz und gar nicht stimmen kann. Wenn man sich etwas näher mit psychischen Erkrankungen beschäftigt hat, wirkt ihr Verhalten aber gleich weitaus weniger eigenartig. Ich habe schon einige Bücher über unterschiedliche psychische Erkrankungen gelesen, aber so krass wie in Rins Fall wurde noch keine dargestellt.

Besonders interessant finde ich die Einteilung des Buches in Rins Lebensabschnitte. Rückwärts, beginnend mit dem 22. Lebensjahr, wird ihr Leben aufgerollt und man versteht immer mehr, worauf sich Rins Verhalten und ihre Ansichten begründen. Liest man den letzten Abschnitt über ihr Leben mit 15 Jahren, so kann man eigentlich nur Mitleid empfinden. Nach und nach wird einem ihre Zwangslage nämlich immer bewusster.

Natürlich ist Rin keine sympathische Figur. Dazu erscheint sie viel zu befremdlich und ihr ganzes Verhalten unlogisch. An ihrem Beispiel erkennt man aber auch, wie das Leben einem mitspielen kann, gerade wenn man weniger gefestigt in seiner ganzen Persönlichkeit ist.

Sprachlich passt das Buch schon perfekt zu Rins ganzer Erscheinung. Sie ist jungendlich bzw. sehr jung und zudem krank, besessen, wie der Titel schon sagt, von Obsessionen geplagt. Ihr selbst ist auch bewusst, dass sie kein normales Leben führt und nicht zurecht kommt. Trotzdem kann sie daran nichts ändern. Sicher werden einige mit diesem Sprachstil wenig anfangen können und doch passt er nunmal zum Buch. Auch ich war zeitweise überrascht, wenn Rin zum Beispiel Gespräche mit ihrer Möse (so drückt sie es aus) führt. Das ist dann doch sehr skurril und diese Abschnitte habe ich nur quergelesen. Aber auch diese Abschnitte haben schon ihre Berechtigung und spiegeln Rins komplette Weltfremdheit wider. Klar ist man schockiert und doch ist soetwas auch Realität. Nur weil es nicht in das eigene Weltbild passt, sollte man doch nicht die Augen davor verschließen.

Die Meinungen einiger Leser, dass ihnen dieses Buch ein ganz neues Bild von Japan vermittelt hat, finde ich unverständlich. Dieses Buch spiegelt doch nur einen minimalen und kaum repräsentativen Teil Japans wieder. In jedem Land gibt es sicher auch Menschen mit Zwängen und Obsessionen, Menschen, die ständig von eben diesen bestimmt werden, sodass ein normales Leben unmöglich ist. Mit Japan an sich hat das nichts zu tun.

Insgesamt kann ich sagen, dass das Buch lesenswert ist. Man sollte sich jedoch nicht an einer wirklich offenen und harten Sprache stören. Außerdem darf man nie aus dem Blick verlieren, weshalb Rin sich derartig verhält. Über kurze Abschnitte zog sich die Geschichte ab und zu in die Länge. Auf jeden Fall öffnet sie einem aber die Augen. Ein wirklich mutiges Buch!

 

 

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