Gefährliche Freunde

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buecherfan.wit Avatar

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Die Erwartung eines Lesers an den “neuen” Roman “Odessa Star” von Herman Koch, der im Original bereits 2003 erschienen ist, also vor den Romanen “Angerichtet” (2010) und “Sommerhaus mit Swimmingpool” (2011), die den Autor bei uns bekannt gemacht haben, ist natürlich groß. Kann er diese Erwartungen erfüllen?

Im Mittelpunkt steht Fred Moorman, der sich gerade in einer Lebenskrise befindet. Seine Ehe kriselt, das Verhältnis zu seinem Sohn David ist gespannt und distanziert. Fred Moorman ist mit allem unzufrieden, vor allem mit seinem langweiligen Freundeskreis und seiner Wohnsituation. Er bewohnt ein Haus in Amsterdam, muss aber hinnehmen, dass er das Erdgeschoss mit dem großen Garten nicht nutzen kann, weil dort die alte Frau de Bilde mit ihrem Hund Wuff und anderen Tieren lebt.

Kurz vor seinem 47. Geburtstag trifft Fred nach dreißig Jahren seinen alten Freund Max G. wieder, als er zusammen mit seiner Frau eine Kinovorstellung besucht. Er lädt ihn und seine attraktive Ehefrau Sylvia spontan zu seiner Geburtstagsparty ein. Max G. erscheint spät in Begleitung der schönen Galja aus Odessa und seines Bekannten Richard H. Fred beschließt, dass Max G. zu seinem neuen Freundskreis gehören soll und drängt sich ihm immer wieder auf, obwohl die Beiden eigentlich nichts verbindet außer ein paar Erinnerungen an die Gymnasialzeit, am allerwenigsten das Milieu, in dem sie verkehren. Max G. ist ein mächtiger Mann in der Amsterdamer Unterwelt und besitzt alles, was Fred Moorman gern hätte.

In der Folge nutzt Fred diesen Kontakt, um seine eigenen Probleme zu lösen. Er ist ebenfalls amoralisch und skrupellos, bis er irgendwann erkennen muss, dass diese Gefälligkeiten einen Preis haben. Seine Frau, sein Schwager, Sohn David, dessen Freundin Nathalie - alle ahnen sie schon bald, dass Max G. seine Hand im Spiel hat, wenn Menschen verschwinden oder getötet werden und  vermuten, dass Fred etwas darüber weiß. Er soll an dem Quiz “Wer wird Millionär?“ teilnehmen und für Max G. und seinen Komplizen, den Moderator Erik Mencken mit Hilfe von Manipulation und Betrug 10 Millionen gewinnen. Fred rebelliert, als es fast schon zu spät ist und riskiert sein Leben.

Dann wird Max vor dem italienischen Lokal erschossen, in dem sie beide zum Essen verabredet waren. Unwissentlich hat Fred dem Mörder die notwendige Information geliefert. Aber er ist noch immer nicht frei. Die Witwe Sylvia erpresst ihn mit ihrem Wissen über die Komplizenschaft von Max und Fred und zwingt ihn, bei der Beerdigung ihres Mannes eine Ansprache zu halten. Am selben Abend soll die Quizsendung ausgestrahlt werden. Fred hat einen Plan. Er hat erkannt, dass sein neuer Freundeskreis zu etwas geworden ist, "aus dem man sich nur mit größter Anstrengung wieder befreit." (S. 19) Wird es ihm gelingen?

Herman Koch hat einen bitterbösen Roman geschrieben, in dem sich niemand als Sympathieträger anbietet, nicht Fred und seine Familie, die bedenkenlos von kriminellen Akten profitieren, und schon gar nicht die brutalen Gangster Max G. und Richard H. Der zynische Ich-Erzähler Fred berichtet im Wesentlichen über ein Jahr seines Lebens, vom Treffen mit Max G. im Kino bis zum Tag der Beerdigung nach seiner Ermordung, holt aber in zahlreichen Rückblenden die Vergangenheit nach. Der Roman enthält ausgesprochen derbe Szenen. Dabei ist der Autor nicht zimperlich in der Wortwahl. Manche Beschreibungen sind einigermaßen witzig, andere abstoßend und geschmacklos. Auch Rassismus und die Diskriminierung von Behinderten, Alten und Ausländern wird nicht jeder zum Brüllen komisch finden. Der Roman, der kein Thriller ist und keiner sein will, liest sich nicht schlecht, aber er gefällt mir lange nicht so gut wie die oben genannten Bestseller.