Odessa Star

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lunamonique Avatar

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Mit einer Midlife-Crisis wird jeder auf andere Art fertig. Fred ist nach außen hin die Ruhe selbst. Nur ein ab und zu nicht so recht passendes Grinsen verrät ihn. In Fred brodelt ein Vulkan. Was ihn stört, muss von der Bildfläche verschwinden. Seine Gewaltphantasien bestimmen den Alltag. Die Hässlichkeit der Menschen springt ihm regelrecht ins Auge. Da ist ihr Nägel kauender, ehemalige Französischlehrer, den sich Fred und Schulfreund Max immer beim Sex mit seiner unattraktiven Frau vorstellen oder Freds Mieterin, deren Wohnung penetrant nach Kamel stinkt. Als Fred Max nach langer Zeit wieder trifft, scheint sich sein Leben zum Guten zu wenden. Max ist erfolgreich, umringt von schönen Frauen, hat einen Bodyguard, schicke Autos und genießt seinen Status in vollen Zügen. So etwas muss doch anstecken. Ahnt Fred, worauf er sich da einlässt? Skrupel scheint er jedenfalls keine zu haben.

Die Geschichte startet mit einer Anekdote, in der sich Fred mit Max’ angriffslustigem und spielverrückten Kater auseinandersetzt. Der Kater ist zu schnell und lässt sich nur selten austricksen. Der Spaß kommt nicht so recht rüber. Fred hat einen merkwürdigen Humor und seltsame Ansichten. Das wird in der Geschichte mehrmals deutlich. Er ist ein Miesepeter und Zyniker, der sich kaum zurückhalten kann, mal ordentlich dazwischen zu funken. Für ihn ist fast alles hässlich und abscheulich. Es gibt kaum etwas, was ihn nicht anwidert. In seine Vorstellungskraft lässt er gerne Sexuelles einfließen, das die Personen noch mehr degradiert und zu Witzfiguren macht. Verständnis für Fred kommt in keinem Fall auf. Die Figur ist weder sympathisch noch mitreißend. Tatsächlich verströmt „Odessa Star“ eine negative Stimmung. Warum wird Fred mit seinem Frust nicht fertig und muss ihn an seiner Umgebung auslassen? Die Fassade aufrechtzuerhalten fällt ihm immer schwerer. Sein Gesichtsausdruck verrät ihn. Besonders makaber, wie er auf den Anruf eines Freundes reagiert, der kurz vor einer Chemotherapie steht. Freds abstoßendes Verhalten und seine seltsamen Gedanken wirken kein bisschen cool. Er ist eine tickende Zeitbombe, am besten zu vergleichen mit einem Amokläufer. Nur macht er sich nicht selbst die Hände schmutzig. Die Verachtung seines Sohnes David trifft Fred zutiefst. Das sind die einzigen Momente, in denen man Verständnis, sogar etwas Mitleid für Fred empfindet. „Odessa Star“ ist mehr als rätselhaft, weder „eine brillante Tragikkomödie“ noch „ein hochspannender, witziger Roman“. Erst am Schluss wird es ein bisschen interessant. Die Frage kommt auf, wie das Ganze für Fred ausgehen soll. Bis dahin plätschert die Geschichte ziemlich abschreckend dahin. Mehr als einmal entsteht das Gefühl, dieses Buch nicht wieder in die Hand nehmen zu wollen. Danach sollte man auf jeden Fall etwas Lustiges in Angriff nehmen. Ein Spaziergang in der Natur kann helfen, „Odessa Star“ aus den Gedanken zu vertreiben. Das Buch klingt sonst stimmungsmäßig nach.

Ein Rettungsring im Ozean. Den hätte man sich auch beim Lesen gewünscht. Das Cover macht einen originellen Eindruck. Bald ist der Rettungsring außer Sichtweite. Wird man ihn noch rechtzeitig erreichen? Der Titel ist etwas weit hergeholt. Die Erwartungshaltung, dass die Odessa Star noch einmal in der Geschichte auftaucht und eine größere Rolle spielt, wird enttäuscht. Es bleibt die Möglichkeit, dass dieses Buch den Humor der männlichen Leser inmitten ihrer Midlife-Crisis trifft. Unter Leidensgenossen kommen eher ein Zusammengehörigkeitsgefühl und zustimmendes, amüsiertes Nicken auf. Auch wenn ich mir Mühe gegeben habe, jedes Buch verdient seine Chance, konnte ich mit „Odessa Star“ nichts anfangen. Schade! Vielleicht gucke ich dafür einfach zu optimistisch in die Welt und vertreibe negative Gedanken gerne sofort. Nach dem Motto: „Carpe diem. Genieße den Tag.“