Reise zu sich selbst

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dajobama Avatar

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Offene See - Benjamin Myers

Was Paulo Cognetti für Italien und die Berge ist, ist Benjamin Myers für England und die englische Nordseeküste.
Ein wunderbares, sehr leises Buch, voll und ganz nach meinem Geschmack.

Der sechzehnjährige Robert macht sich nach seinem Schulabschluss vom Norden Englands auf in Richtung Süden, um das Land kennenlernen. Sein Heimatort lebt kurz nach Kriegsende von der Kohleindustrie und auch Robert soll sein Leben unter Tage beim Kohleabbau zubringen. Dabei liebt er doch das Meer und die Weite der Natur.
Auf seiner Reise landet er unversehens im abgelegenen Häuschen einer älteren Dame, Dulcie. Eine sehr gebildete Person, mit nicht immer vornehmer Ausdrucksweise, die den Jungen mehr und mehr unter ihre Fittiche nimmt. Eine wunderbare Freundschaft entwickelt sich zwischen den beiden.
Für Robert ist es eine Reise zu sich selbst. Anfangs erledigt er Arbeiten rund um Dulcies Haus und auch wenn er sich vornimmt, weiterzuziehen, kehrt er doch immer wieder zurück. Fast unmerklich führt Dulcie ihn im Gegenzug in die Schönheit der Literatur ein, mit der sie mehr verbindet, als sie anfangs zugeben mag.

An Handlung passiert eigentlich gar nicht allzu viel. Es ist vielmehr die wunderschöne poetische Erzählweise, die diesen Roman ausmacht. Neben detaillierten Landschaftsbeschreibungen und tiefen Gefühlen ist es eine unwahrscheinliche Ruhe und Gelassenheit, die diese Geschichte vermittelt.
Im Prinzip gibt es nur diese beiden Figuren, Robert und Dulcie, und außerdem Butler, den Hund. Diese wenigen Figuren sind dafür umso liebevoller und ausgearbeitet.

Ein tolles Buch, ein wunderbares Buch. Eine ruhige und unheimlich berührende Geschichte. Ein Autor, den ich beobachten werde. Mit Sicherheit eines meiner Jahreshighlights 2020 ! Eine ganz dringende Leseempfehlung und natürlich 5 Sterne.