zu sehr Kunstprodukt um mich wirklich zu berühren

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hiclaire Avatar

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Bereits den Einstieg, so voller Pathos und melodramatischer Wortwahl, fand ich wenig einnehmend. Geschrieben aus Sicht des gealterten Robert, der auf diese entscheidende Zeit seiner Jugendjahre zurückblickt, wie mir dann mit etwas Verspätung klar wurde. Wie die Empfindungen, Gedankengänge und Beschreibungen sprachlich gestaltet waren, wollte für mich so gar nicht zu einem 16-Jährigen passen, auch nicht unmittelbar nach dem Krieg, und das hat mich sehr gestört. Doch wenn er die Geschichte erst in fortgeschrittenem Alter erzählt hat, macht es zwar den Stil für mich nicht angenehmer, aber doch sehr viel glaubwürdiger. Zu einem jugendlichen Ich-Erzähler passt die Sprache nicht, wohl aber zu einer altersgeprägten Rückschau auf die damaligen, für sein weiteres Leben so wichtigen Ereignisse. Das erklärt für mich auch die Diskrepanz zwischen Roberts Sprache in den Dialogen und seinen Gedanken, die ich inzwischen den Erinnerungen des „alten“ Robert zuordne. Am Ende hat sich das noch einmal bestätigt und ich weiß auch nicht so recht, warum ich fast 100 Seiten lang den Eindruck hatte, die Empfindungen und Gedanken des 16-jährigen Robert zu lesen. Vermutlich, weil ich auf den ersten Seiten öfter pausiert habe – vielleicht um durchzuatmen nach den mich schier erschlagenden Metaphern ;).

Krieg ist furchtbar, immer und in jeder Hinsicht, und ich verstehe, was der Autor mir nahe bringen möchte, wenn er schreibt „Er lebte in ihren Augen weiter oder hing ihnen schwer um die Schultern wie ein blutgetränkter Umhang. Und er blühte in ihren Herzen, eine schwarze Blume, die dort Wurzeln geschlagen hatte und nie mehr ausgerissen werden konnte. Die Samen waren so toxisch, so tief gesät, dass die Erinnerungen nichts anderes sein konnten als für alle Zeiten giftig“ – , doch eine solche Wortwahl ist für mich einfach schwer erträglich.

Während ich einem Satz wie diesen: „Denn niemand gewinnt einen Krieg wirklich; manche verlieren bloß ein bisschen weniger als andere“, in seiner knappen Schlichtheit deutlich mehr abgewinnen kann.

Ein weiteres Beispiel: „Kunst war der Versuch, den Moment in Bernstein zu gießen“ – was will mir der Autor damit sagen? Soweit ich mich erinnere, geht es da keineswegs um Bernstein, das wirft er mir einfach so hin. Wahrscheinlich bin ich ein Banause, der solchen sprachlichen Perlen einfach nichts abgewinnen kann. Kunstvolle Formulierungen, zweifellos, aber für mich eben genau das, ein Kunstprodukt, in dem ich keinen tieferen Sinn erkennen kann und das sich für mich nicht echt anfühlt.

Mit dem zweiten Teil kam ich dann etwas besser zurecht, aber insgesamt bleibt es dabei, dass der Autor bei mir keine Saite zum Klingen gebracht hat. Ein bisschen schade, denn im Kern ist es auch für mich eine gute Geschichte, wie die Weichen im Leben des jungen Robert durch die Begegnung mit Dulcie so ganz anders gestellt werden. Doch die sprachlich-erzählerische Ausgestaltung war nicht nach meinem Geschmack, zu kunstvoll, zu viele Metaphern, zu viel Pathos und sogar trotz der wenigen Seiten ein paar kleine Längen.