Das nächste Meisterwerk von Bernhard Schlink

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Meine Entdeckung von Bernhard Schlink fing 2010 mit dem Roman „Der Vorleser“ an, der eines der ersten deutschsprachigen Büchern im Original war, das ich gelesen hatte, und der bis heute zu meinen Lieblingsbüchern gehört. So waren die Erwartungen an „Olga“ sehr groß. Ich liebte den Schreibstil dieses Autors, die Gedankentiefe und das Dramatische, was klug formuliert den Leser zutiefst trifft.
Als ich anfing, „Olga“ zu lesen, war ich nicht begeistert. Die beiden Hauptfiguren entwickelten sich auf den Seiten, aber die Handlung war mir ein bisschen zu trocken, zu linear. Außerdem suchte ich nach den Emotionen, die in mir „Der Vorleser“ vor knapp 8 Jahren ausgelöst hatte. Und ich fand sie, allerdings erst im zweiten Drittel des Romans.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erfährt der Leser die Geschichte der beiden Hauptprotagonisten: Olga, die schon als Kind durch ihre Fähigkeit auffällt, zu beobachten, das Mädchen, das sich zu einer weisen Frau entwickelt, die am Ende ihres Lebens feststellen muss, sich nie geliebt gefühlt zu haben. Und dann Herbert, der schon bei seinen ersten Schritten versucht zu rennen, was sein ganzes Leben charakterisiert: ein ständiges Rennen, ohne klares Ziel, ein Rennen ins Nichts, ein Wegrennen, das Olga so unglücklich macht. Die beiden sind ein Paar, ohne es sein zu dürfen, ohne es sein zu können. Ein Paar ohne Zukunft. Weil Herbert weiter rennen muss, weil es ihn ständig in die Ferne zieht.
Im zweiten Teil lernen wir Olga als eine reife Frau kennen, die die beiden Weltkriege überlebt hatte, die allein lebt und immer noch innig auf ihren Herbert wartet. Ihre Liebe schenkt sie nun Ferdinand, einem Jungen, in dessen Familie sie als Näherin arbeitet und sich allmählich zum Familienmitglied entwickelt. Sie versucht, die besten Eigenschaften in Ferdinand zu fördern und ihn von dem Unsinn abzuhalten, der ihren Herbert und später ihren Schüler (eigentlich mehr als nur Schüler – das Geheimnis wird später gelüftet) Eik ins Verderben führt. Gerade in diesem Teil kommen immer wieder Sätze vor, die mich mit ihrer Aussagekraft besonders beeindruckt hatten, Sätze, die man als Aphorismen benutzen könnte. Die Weisheiten des Lebens, die Olga aus ihrer eigenen Erfahrung formuliert. So wie zum Beispiel „Das Leben ist eine Kette von Verlusten, und man muss beizeiten lernen, seinen Frieden damit zu machen“.
In diesem Teil findet sich auch mein persönlicher emotionaler Höhepunkt – der Tod von Olga. Als hätte ich sie gekannt, als wäre ich Ferdinand, so lebendig wurde für mich die Hauptfigur des Romas.
Im dritten Teil darf der Leser einen Einblick in Olgas Briefe an Herbert bekommen, die der Empfänger nie gelesen hatte. In diesen Briefen offenbaren sich noch ein paar Geheimnisse, die die Bewunderung für diese Frau noch weiter hochtreiben. Eine richtig faszinierende Lebensgeschichte und eine unglaublich beeindruckende Figur.
Mit „Olga“ hat Bernhard Schlink ein weiteres Meisterwerk geschaffen, das bereits seinen Ehrenplatz im Regal meiner Lieblingsbücher eingenommen hat.