Langsamer Start, aber dann gewaltig! Lesen!

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thirteentwoseven Avatar

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Zuerst dachte ich, das Buch "Olga" von Bernhard Schlink sei nicht gelungen. Der erste von 3 Teilen hetzte nur so durch das Leben und Lieben von Herbert und Olga. Keine Zeit für tiefe Emotionen. Eine gut formulierte und zum Teil bildhafte Aneinanderreihung von Fakten, Daten und Ereignissen weit über Herberts Tod hinaus, bis weit in die Nachkriegszeit. Ich war zunächst enttäuscht.

Ganz anders dagegen Teil 2 und 3. Hier läuft Schlink zu Höchstform auf. Alles, was mir im 1. Teil fehlte, kommt jetzt und zwar gewaltig. Mit dem jungen Ferdinand erleben wir die Nachkriegsjahre von Olga bis zu ihrem überraschenden Tod im Zuge eines Attentats auf ein Bimarckdenkmal. In Teil 3 sehen wir direkt in ihre Seele. Wir lesen ihre Briefe an Herbert, die sie nie aufgehört hat zu schreiben. Wir erfahren ihre tiefe Liebe zu Herbert und den unendlichen Schmerz über seinen Verlust. Wir erfahren all das, was uns der 1. Teil versagte und dazu auch noch Dinge, die bisher nur in Olgas Herzen verschlossen waren.

Wir sehen eine kluge Frau, weise und tragisch wie Cassandra, die den Größenwahn und die Allmachtsphantasien Deutschlands sehr früh durchschaut hat, die aber weder Herbert noch alle ihr nahe Stehenden davon abbringen kann, den Demagogen hinterher zu laufen. Eine Frau, die ein leises, unauffälliges Leben führt, aber mit ihren Gedanken und ihrem Handeln eine wahre Heldin ist. Das Buch schreibt über eine große Liebe und eine starke Frau. Nach der Lektüre möchte man fast rufen: Frauen an die Macht!

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Insbesondere der 3. Teil hat mich tief bewegt. Weil sich die Komposition der 3 Teile jedoch erst recht langsam erschließt, gebe ich 4,5 von 5 Sternen und sage auf jeden Fall lesen und auf keinen Fall in Teil 1 abbrechen. Das Buch ist wunderbar!